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Beinahe niedlich

Ohne einen blassen Schimmer: Die Stadtzeitschrift Oxmox über die Rote Flora  ■ Von Christian Buß

Das Blatt gilt ja schon lange als Super-Illu der Stadtillustrierten. Die Autoren scheren sich nicht um Nebensächliches wie Sinn oder Syntax; die Optik setzt auf billige Reize. In guten Monaten sieht die Hamburger Monatszeitschrift Oxmox einfach nur schäbig aus, in schlechten ist sie eine Zumutung.

Der Juni ist ein besonders schlechter Monat, denn da spielt die Redaktion seriösen Journalismus. „Die größte Kloake Hamburgs“, titelt das Heftchen reißerisch. Gemeint sind die Rote Flora und das Schanzenviertel. Hier machte die findige Redaktion ein – oha! – Reizthema aus, und Herausgeber Klaus M. Schulz fordert ob der Hilflosigkeit der Behörden in seinem Editorial sogleich „Pillen für geistige Potenz von Politiker-Gehirnen“.

Die hätte man auch seiner Autorin Nicole Baumgarten gewünscht. Denn die muß die Drogenproblematik in der Schanze „beschreiben, ohne in reißerischen Boulevard-Journalismus zu verfallen“. Meint: ein bißchen Reportage, ein bißchen Medienschelte, aber knallen soll es trotzdem. Und wenn was nicht zusammengeht, macht man halt ein Fragezeichen. „Warum nicht zuerst einen Polizisten zu Wort kommen lassen?“ fragt Baumgarten und läßt den Schutzmann gleich die Kloaken-Headline runtergranteln. Ohne böse Absichten, klar. Die kann man der guten Frau wirklich nicht unterstellen. Sie schreibt zwar, daß an jeder Ecke ein Afrikaner stünde, „der außer Drogen noch besonders seine Genitalien auf aufdringliche Weise feilböte“. Und man hört ja auch sonst ziemlich viel. Aber: „Wer weiß, ob's tatsächlich so ist.“

Doch nicht nur die Recherche sitzt, auch staatsphilosophische Reflexionen fährt die Autorin auf: „In erster Linie hat die Schanze ein politisches Problem. Deshalb hat die Schanze auch ein gesellschaftliches Problem, denn jeder hat die Regierung, die er/sie verdient.“ Unfehlbar ihr historisches Wissen: „Fest steht, daß spätestens seit der Räumung der Hafenstraße die Autonomen in der Flora ein neues Zuhause gefunden haben.“ Daran, daß die Hafenstraße geräumt wurde, will sich in der taz niemand erinnern.

So taumelt die Autorin durch ihren Text – von geilen Gerüchten getrieben, von keinem blassen Schimmer getrübt. Beinahe niedlich. Wäre es nicht so gefährlich.

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