Analyse: Das Milliardengrab
■ Der neue Großflughafen Schönefeld wird ein teures Geschenk für den Staat
Ein Geschenk! Da freuten sich die PolitikerInnen im gebeutelten Osten, und auch die Öffentlichkeit wollte gerne daran glauben. Weltweit einmalig und für den Staat gratis, so versprachen ein paar Konzerne, würden sie den neuen „Großflughafen Berlin Brandenburg International“ dort bauen, wo bis 1989 die DDR-Fluglinie Interflug in die sozialistischen Länder startete: in Schönefeld, südöstlich von Berlin. Ganz vorn mit dabei die ehemals bundeseigene Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG), die früher die in norddeutschen Salzkavernen gelagerten Ölvorräte für den Kriegsfall hütete und sich aufgrund eigener, schmerzlicher Erfahrungen angeblich aufs Privatisieren versteht. Am Dienstag nun gaben zwei konkurrierende Firmengruppen unter Führung der IVG und des Baukonzerns Hochtief ihre offiziellen Angebote für den Bau von Schönefeld und die Privatisierung der Flughafen-Holding ab.
Ein Geschenk? Wer unters Papier guckte, merkte bald, was drin war. Die Straßen und Schienen, die zum neuen Airport führen, müßte natürlich der Staat bezahlen, hieß es dann. Macht mindestens 350 Millionen Mark. Die Schulden der Flughafen-Holding? Nein, die wollen die Privatisierer auch nicht bezahlen. Noch mal 730 Millionen. Und nun sickert durch, daß die Konzerne vielleicht Anspruch auf staatliche Zuschüsse für die Bauinvestitionen erheben. Die Süddeutsche Zeitung will von zwei bis drei Milliarden Mark erfahren haben. Berlins SPD-Fraktionschef Klaus Böger stellte deshalb das ganze, wirtschaftlich möglicherweise wenig tragfähige Privatisierungskonzept in Frage: Dann könne der Staat für bis zu acht Milliarden Mark auch gleich selbst bauen.
In den bald beginnenden Verhandlungen werden die Konsortien versuchen, den Mix von privater und staatlicher Investition von ein paar Randbedingungen abhängig zu machen. Wenn es dem Staat nicht gelingt, gegenüber den Flughafen-Anrainern den lukrativen 24-Stunden-Betrieb durchzusetzen, könnte das ein Erpressungshebel für weitere öffentliche Gelder werden. Wenn absehbar ist, daß das geplante Einkaufs-, Hotel- und Dienstleistungszentrum am Airport aufgrund der östlichen Nachfrageschwäche weniger einbringt als erwartet, haben die Unternehmen ein weiteres Argument. Außerdem setzen Berliner Provinzfürsten aus der CDU alles daran, die Stadtflughäfen Tempelhof und Tegel entgegen den ursprünglichen Beschlüssen solange wie möglich offenzuhalten, was den Privatisierern zusätzliche Kosten bescheren könnte. Die Hand ist bereits nach dem Staatssäckel ausgestreckt. Der Transrapid läßt grüßen. Auch der Großflughafen für die neue Hauptstadt entpuppt sich für die öffentliche Hand als Milliardengrab. Die Frage ist nur, wie tief es wird. Hannes Koch
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