Warten auf die Affen

■ Von „Jugend Forscht“ mit Wüstenleguanen zum Professor für Neurobiologie: Andreas Kreiter hat die Räume bezogen, wo Experimente an Makaken-Affen stattfinden sollen

Anfangs wirkt Andreas Kreiter unsicher, fast eingeschüchtert. Die Auseinandersetzungen der letzten Monate um seine geplanten Versuche mit Affen haben ihn wohl mißtrauisch gemacht. Beim Laufen beugt sich der zwei-Meter-Mann leicht nach vorne und legt dadurch eine enorme Geschwindigkeit vor. Zielsicher führt er über den Uni-Campus zu einem unscheinbaren weißgestrichenen Backsteinbau. Das Flachdach ist mit Stachelkonstruktionen gesichert. Handwerker basteln im Flur hinter einer schweren Stahltür. Hier werden derzeit die Labors aufgebaut, in denen der Neurobiologe forschen will. Die Versuchstiere sollen im gleichen Gebäude untergebracht werden.

Professor Andreas Kreiter nimmt sich viel Zeit für ein Gespräch. An Forschung ist kaum zu denken, seitdem er in seinen neuen Domizil angekommen ist. Vor zwei Wochen erst wurden die Versuche mit Makaken-Affen von der Gesundheitsbehörde genehmigt. Doch schon Mitte 1996 hatten die Verhandlungen um seine Berufung begonnen. Jetzt erst richtet er sich ein. Auf dem Tisch liegt eine Rezensions-Anfrage der Zeitschrift „Nature“. Aktenordner mit Forschungsergebnissen stehen herum, „Results Oskar“, „Results Felix“. In der Ecke stehen die letzten Umzugskartons. Jetzt sitzt er aufrecht auf seinem neuen Bürostuhl, ohne sich überflüssig viel zu bewegen. Noch wirkt er fremd im eigenen Büro.

Mit seinen 35 Jahren ist er blutjung für eine C4-Professur, wie er sie nun an der Bremer Universität innehat. Kreiter ist ein Überflieger. „Ich wollte immer Wissenschaftler werden“, sagt er, und man glaubt es ihm sofort. Schon als 13jähriger stieg Kreiter mit seinem Haus-Terrarium in die Zoologie ein. In der 12. Klasse gewann der Kaiserslauterner den Sonderpreis für interdisziplinäre Foschung bei „Jugend Forscht“. Um den Tagesrhythmus seines Wüstenleguans zu erfassen, hatte er mit einem Freund ein Ultraschall-Meßgerät gebastelt. Nebenbei jobbte er in einer kleinen Computerfirma, „Platinen löten“. Schon wenig später entwarf er die Rechner selbst. „Eine wichtige Zeit“ sei das gewesen für seine Entwicklung“, meint er heute. Nach dem Abi 1982 (Leistungskurse Chemie, Bio und Geschichte) ging er zum Studieren nach Tübingen.

Daß er nicht Arzt geworden ist, damit hat er in seinem Umfeld – Vater Arzt, Mutter Ärztin, Bruder Arzt – so manchen verwundert. „Aber ich würde verrückt werden, wenn ich am Krankenbett stehen würde und ich Ideen hätte, was man entwickeln müßte um zu helfen, aber es nicht tun könnte.“ In Tübingen sei er schnell als Biologe in die Neurobiologie reingerutscht, bald beschäftigte er sich mit Verhaltensphysiologie. Und traf in der Uni-Stadt auf eine etablierte Wissenschaftler-Gruppe von Neurobiologen. Für seine Diplomarbeit machte er 1988 Tierversuche mit Katzen, Titel: „Die funktionelle Organisation der Verbindung zwischen Area 17 und Area PMLS der Katze: eine anatomisch-elektrophysiologische Studie“. Später, am Frankfurter Max-Planck-Institut für Hirnforschung, wo er seine Dissertation vorbereitete, forschte er erstmals an Affen.

Ob er eine Beziehung zu seinen Versuchstieren hatte? „Ja, doch“, antwortet er. Ohne eine solche könne er gar nicht forschen. Zwei Sorten von Forschern gebe es, die an ihren Versuchen scheitern: „die einen, die ihre Tiere als Schmusetiere sehen“, und „die anderen, die roh sind, ohne Feingefühl“ für die Tiere. Man sollte, so Kreiter, einen Mittelweg gehen, und die Tiere mit einem Ethos behandeln, „wie sie ein anständiger Landwirt behandelt“. Forscher, die er kennt, sie seien allesamt eher behutsame und nachdenkliche Menschen.

Seit einem Jahr ist Kreiter nun der Buhmann für die Tierschützer. Im April 1997 wurde ein Protest-Transparent über den Dobben gehängt, auf dem Kreiter als „Affenfolterer“ tituliert wurde, seine Adresse und Telefonnummer wurde gleich mitgeliefert. Dann begannen die Kampagnen: Telefonanrufe mitten in der Nacht oder tagsüber, wenn seine Frau mit den gemeinsamen drei Kindern allein zu Hause war. Kreiter deutet einen 40 Zentimeter hohen Berg an – so viele Briefe habe er bekommen. Auch Morddrohungen gab es. An dem Gerücht ist etwas dran: Seitdem kümmern sich Personenschützer um Kreiter. Er habe sich daran gewöhnt, sagt er.

Wenn es um die Form der Auseinandersetzung geht, die einige der Tierschützer gewählt haben, wird Kreiter ähnlich drastisch wie diese Gegner: Die bezeichnen ihn auf einem anonymen Flugblatt schon mal als „Mengeles Enkel“. Auch Kreiter fühlt sich, wie er sagt, an den „totalen Krieg“ erinnert, wenn er die Wortgewalt seiner Gegner abbekommt. Doch überhaupt, und das stört ihn am meisten, sei kaum einer seiner Kritiker bereit gewesen, sich direkt mit seinen Argumenten auseinanderzusetzen.

Was glaubt er, warum er so in der Kritik steht? Amerikanische Tierversuchsgegner hätten einmal die Devise ausgegeben, zuerst die Affenversuche zu kippen – denn zahlenmäßig seien das die wenigsten. 900 bis 1.600 Makaken stürben jährlich in der Bundesrepublik – der größte Teil davon in Labors der Industrie. Seine Versuche, sie seien außerdem für viele ein Symbol für die naturwissenschaftlichen Forschungsrichtungen, die die Bremer Universität unter Rektor Timm gefördert hat. „Der Konflikt ist doch auch Mittel zum Zweck, um der Universität Sand ins Getriebe zu streuen.“ Gegen seine Versuche zu protestieren, gehöre doch inzwischen fast schon „zum guten politischen Ton“ an der Uni. „Letztendlich hat die Kampagne wenig mit mir zu tun“, meint der Mann, der wohl noch nicht den letzten Konflikt an der Bremer Uni durchgestanden hat. Christoph Dowe