: Prähistorische Pfundnoten und queensköpfiges Mickymausgeld Von Ralf Sotscheck
Es wurde dann ein recht trockener Abend. Die Verkäuferin in dem Schnapsladen im schottischen Stonehaven entwand mir die sicher geglaubte Flasche Wein und stellte sie ins Regal zurück. Sie gab mir meinen Zehn-Pfund-Schein der Bank of Ireland zurück und meinte herablassend: „Wir nehmen kein irisches Geld.“
Es sei gutes britisches Sterling, das ich vor der Reise extra in einer Dubliner Bank eingetauscht hatte, beteuerte ich. In Nordirland gibt jede Bank, auch die Bank of Ireland, ihr eigenes Geld heraus, das haargenau soviel wert ist wie die englischen Scheine mit dem Kopf der Königin darauf. Ungerührt zeigte sie auf die Adresse auf meinem Geldschein: „Belfast – das liegt doch wohl in Irland, oder?“ Das war zwar geographisch korrekt, aber im Interesse eines feuchtfröhlichen Abends mußte ich unionistisch argumentieren. Es nützte mir nichts – sie hatte eindeutig im Geschichtsunterricht gefehlt.
Um eine Wiederholung des Debakels zu vermeiden, ging ich am nächsten Tag mit meinem nordirischen Geld zur Bank. Darunter waren Scheine der Ulster Bank. Die irische Provinz Ulster umfaßt neun Grafschaften, sechs davon bilden Nordirland – und genau daher stammte mein Geld. Die Bankangestellte betrachtete es mißtrauisch. „Ulster“, rief sie ihrem Kollegen am Nachbarschalter zu, „ist das irisch irisch oder britisch irisch?“
Dabei müßten die Schotten eigentlich mehr Verständnis für ungewöhnliche Banknoten aufbringen, haben sie doch ebenfalls ihre eigenen schottischen Scheine, mit denen sie in England nicht weit kommen. So gibt es in Schottland noch Pfundnoten, die im Rest des Vereinigten Königreichs seit Jahren durch Münzen ersetzt sind. Als ich neulich im Flughafen Heathrow eine Flasche zollfreien irischen Whiskey mit einem Bündel schottischer Pfundnoten bezahlen wollte, schaute mich die Verkäuferin an wie ein Hund, dem man soeben einen Kartentrick vorgeführt hatte. „Die sind seit zehn Jahren ungültig“, erklärte sie mitleidig. Vermutlich dachte sie, einer ihrer Landsleute habe einen gutgläubigen Ausländer übers Ohr gehauen und ihm prähistorisches Wechselgeld angedreht. Genausogut hätte ich versuchen können, mit Glasperlen zu bezahlen.
Kein Wunder, daß die britische Regierung der Europäischen Währungsunion vorerst fernbleibt, hat sie ja noch nicht mal im eigenen Land eine Währungsunion hinbekommen.
Nur im indischen Restaurant von Edinburgh gab es keine Probleme mit dem nordirischen Geld, denn der Kellner war selbst ein gebranntes Kind. „Ich wollte voriges Jahr in Nordirland mit schottischem Geld bezahlen“, sagte er. „Da wurden mir überall 10 Prozent Bearbeitungsgebühren abgezogen. In Dublin haben sie es angenommen, ohne mit der Wimper zu zucken.“ Kein Wunder, ist Sterling doch 15 Prozent mehr wert als das irische Pfund.
Das war nicht immer so: Vor ein paar Jahren lag die irische Währung für kurze Zeit um einen Penny über der britischen. Auf diesen Moment hatte der Taxifahrer, der eine Belfaster Freundin vom Bahnhof zu uns brachte, lange gewartet. „Tut mir leid“, log er, als sie ihm einen queensköpfigen Schein reichte, „aber ich kann dieses Mickymausgeld nicht annehmen.“
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