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Havelanges Gehilfe wird der neue Fußball-Boß

■ Joseph S. Blatter gewinnt die Wahl zum Präsidenten des Weltfußballverbandes Fifa

Berlin (taz) – Kaum war er weg vom Fenster, bekam der gescheiterte Kandidat sogar von seinem Erzfeind Honig ums Maul geschmiert. „Lennart Johansson ist ein Gentleman, ein großer Herr, den man auf ewig respektieren muß“, tönte der scheidende Präsident des Weltfußballverbandes Fifa, Joao Havelange, nachdem kurz zuvor Joseph Blatter, erklärter Favorit des 82jährigen Brasilianers, auf dem Fifa-Kongreß in Paris zu seinem Nachfolger gewählt worden war. Blatter erhielt im ersten Wahlgang 111 der 191 Stimmen, exakt so viele, wie Johansson (68) für sich prophezeit hatte. Der schwedische Präsident des europäischen Verbandes Uefa kam bloß auf 80 Voten und verzichtete frustriert auf einen zweiten Wahlgang.

Joseph „Sepp“ Blatter (62), 17 Jahre lang als Fifa-Generalsekretär williger Erfüllungsgehilfe des autokratischen Havelange, ist ein Apparatschik, wie er im Buche steht, und er weiß daher genau, wie mit dem Apparat Fifa umzugehen ist. Auch dem umtriebigen Schweizer war nicht entgangen, daß nach 24 Jahren der Ära Havelange die Zeichen in der Fifa auf Veränderung stehen, und so schrieb er sich frühzeitig demokratische Parolen in sein Wahlprogramm, die er teilweise direkt von seinem Gegenkandidaten abgekupfert hatte. Darüber hinaus ließ er seine Kontakte spielen, verzichtete weise auf allzu heftige Angriffe gegen Johansson und seine Verbündeten, sicherte sich in einem raffinierten Schachzug die Unterstützung des populären Franzosen Michel Platini und scheute nicht einmal davor zurück, sich mit dem Slogan „JSB for president“ im Internet anzupreisen.

Johansson dagegen wog sich zu früh in Sicherheit und taktierte so plump, daß ihm vermeintlich sicheres Stimmvieh in Scharen davonlief. Zuletzt verscherzte er sich Sympathien durch die Ausladung Blatters beim Uefa-Kongreß und seinem Beharren auf einem semigeheimen Wahlmodus. Während Blatter in Kabinen wählen lassen wollte, plädierte der Schwede dafür, daß die Delegierten der Kontinentalverbände ihre Stimmzettel an einem gemeinsamen Tisch ausfüllten, weil er hoffte, eine Art Fraktionszwang würde ihm zugute kommen. Nicht gerade eine seriöse Vorgehensweise für jemanden, der sich Demokratisierung auf die Fahnen geschrieben hat, auch wenn Johansson im letzten Moment einlenkte und den Blatter- Modus akzeptierte.

Den Machtkampf in der Fifa hat der Schweizer gewonnen, dennoch kommen auch auf ihn keine leichten Zeiten zu. Schließlich könnte jemand auf die Idee kommen, ihn und seine Versprechungen beim Wort zu nehmen. Matti Lieske

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