: Das ßolhcsdarrhaf
Der Hamburger Bernhard Wolff ist Rückwärtssprecher und Gedächtniskünstler ■ Von Heike Dierbach
Haben Sie schonmal einen Hai gesehen, der sein Fahrrad an ein Korallenriff angeschlossen hat? Möglicherweise nicht, aber wenn, dann würden Sie es bestimmt nicht mehr vergessen. Und genau deshalb weiß Bernhard Wolff noch, daß der dritte von zwanzig Begriffen, die er rückwärts wiederholen soll, „ßolhcsdarrhaf“ (Fahhradschloß) lautet.
Denn das Merkwort für Begriff Nummer drei ist immer „Hai“: Wolff denkt sich eine Szene aus, in der sowohl ein Hai als auch ein Fahrradschloß vorkommen. Und schon ist der Begriff im Gedächtnis gespeichert. „Schon die alten Römer haben sich auf diese Weise lange Reden gemerkt“, erläutert der Hamburger, „erst seit der Aufklärung fanden die Leute das wohl beknackt.“
Auch in seiner Verwandtschaft herrschte zunächst Verwunderung darüber, daß der Sohn eines Handwerkers sein Geld als „freiberuflicher Rückwärtssprecher“ und Gedächtniskünstler verdient.
Bereits als 10jähriger entdeckte Wolff den Reiz des „kreativen Umgangs mit Sprache“, wie er es nennt. Das Ortsschild „Stockelsdorf“, vor dem der Schulbus täglich hielt, klang als „frodslekcots“ viel interessanter. „Also probierte ich das Rückwärtssprechen auch bei anderen Worten.“ Zur Gedächtniskunst kam er mit 15 durch ein Zauberei-Buch, seine ersten Auftritte hatte er mit 16 auf privaten Feiern. „Trainieren mußte ich eigentlich nur die Geschwindigkeit“, erinnert sich Wolff, „alles andere war eine Frage des Sich-Einlassens“.
Die Ernüchterung kam während seiner Ausbildung zum Werbekaufmann in einem Tonstudio, als der Künstler sein Rückwärtsgesprochenes auf Band aufnahm und vorwärts wieder abspielte. Das Resultat „waren nur aneinandergereihte Buchstaben“, erzählt er, „die Worte klangen ganz anders.“ Drei Jahre lang übte er, bis Aussprache und Betonung stimmten.
Mittlerweile hat er seine eigene „Gesellschaft für Unterhaltung und Weiterbildung“ gegründet und tritt abends mit dem „Think Theatre“-Ensemble sowie bei Fortbildungskursen großer Konzerne auf. „Wir können von dem, was auf der Bühne passiert, viel lernen“, meint Wolff. Um sich 20 Begriffe in der richtigen Reihenfolge zu merken, muß er seine Phantasien zulassen. Je drastischer die ausgedachten Szenen sind, desto besser. Deshalb überfällt Wolff gedanklich mit dem sechsten Begriff „Campingkocher“ eine Bank, denn das Merkwort für sechs ist Schecks. Aber „alle Assoziationen sollte man nicht erzählen“, weiß der Fachmann, „das meiste würde man ja niemals wirklich umsetzen“. Oder haben Sie schon einmal einen Computer aus der Socke geholt, nur weil das Merkwort für Begriff Nummer fünf Strümpf ist? Info: Tel.: 41 400 325
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen