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„Deinen Sohn siehst Du nie wieder“

■ Wegen Kindesentziehung muß 32jähriger zwei Jahre und vier Monate ins Gefängnis. Das Kind bleibt verschwunden

Als „eherechtliche Auseinandersetzung“ möchte der Anwalt von Ashraf M. den Fall seines Mandanten behandelt wissen. Doch je länger vor dem Amtsgericht verhandelt wird, desto offensichtlicher wird, wie fehl am Platze dieser Begriff ist. Es geht um mehr als um eine Ehekrise: Anfang März flog Ashraf M. mit seinem Sohn, für den nur seine getrennt lebende Ehefrau das Sorgerecht hatte, nach Ägypten. Seitdem ist das Kind spurlos verschwunden.

Im Gerichtssaal stehen sich zwei Versionen der Geschichte gegenüber: Die eine beschreibt einen gewalttätigen Ehemann, der seine Frau schlug, so daß sie vor ihm ins Frauenhaus floh. Der drohte, ihr das Kind wegzunehmen und es schließlich auch tat. Nach einem Treffen mit seinem Sohn, welches das Familiengericht ihm zugebilligt hatte, brachte er ihn nicht zum verabredeten Treffpunkt in Rahlstedt zurück, sondern rief statt dessen aus Ägypten an und verkündigte: „Dein Kind siehst Du nie wieder“.

Die andere Version dreht den Spieß um und stellt Ashraf M. nicht als Täter, sondern als wehrloses Opfer einer berechnenden Frau dar. Sie habe ihn angewiesen, das Kind nach Ägypten zu ihrer Familie zu bringen – warum, habe er nicht gefragt – um ihn dann wegen Entführung anzeigen zu können. Zuvor habe sie Ashraf M. zur Heirat gezwungen, und ehe sie ins Frauenhaus floh, habe sie sich von ihrem Vetter schlagen lassen, um die sichtbaren Verletzungen schließlich ihrem Ehemann in die Schuhe schieben zu können.

Den Redeschwall des Angeklagten stoppt eine Sozialpädagogin: „Ich arbeite seit neun Jahren im Frauenhaus“, erklärt sie. Da könne man erkennen, ob eine Frau leide. Auch das Gericht beurteilt Ashraf M. als „völlig unglaubwürdig“ und verurteilt den 32jährigen wegen „Kindesentzuges“ zu zwei Jahren und vier Monaten Gefängnis.

Doch die Strafe ist nur das eine. Allemal wichtiger für die Frau wäre, endlich zu erfahren, wo ihr Sohn ist. Ashraf M. behauptet, das Kind wäre bei seiner Mutter in Ägypten; eine Adresse nennt er jedoch nicht. Seine Frau verläßt verzweifelt den Gerichtssaal, den sie zuvor in der Hoffnung betreten hatte, endlich den Aufenthaltsort ihres Sohnes zu erfahren.

Daß das Strafrecht hier dem eigentlichen Problem nicht abhilft, ist auch Richter Raffael Krispien bewußt. Er redet dem Angeklagten ins Gewissen: Er würde ihm großzügig Besuch im Knast gewähren – aber allein zu dem Zweck, daß er Kontakt nach außen aufnehmen und dadurch die Rückehr seines Sohnes organisieren könne.

Elke Spanner

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