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Lukaschenko legt sich mit Botschaftern an

Die Repräsentanten ausländischer Staaten in Weißrußland sollen umziehen. Ihre Residenzen sollen angeblich renoviert werden. Wer nicht geht, wird einfach ausgesperrt. Die USA drohen mit Vergeltungsmaßnahmen  ■ Von Barbara Oertel

Berlin (taz) – Nach Oppositionellen, aufmüpfigen Journalisten und demonstrierenden Jugendlichen hat Weißrußlands Staatspräsident Alexander Lukaschenko jetzt neue Opfer seines Verfolgungswahns ausgemacht: ausländische Diplomaten. Bereits im April hatte die Regierung in Minsk die Botschafter von 22 Ländern, unter anderem aus Rußland, Frankreich und den USA, ultimativ dazu aufgefordert, ihre im Minsker Stadtteil Drosdi gelegenen Residenzen bis zum 10. Juni zu räumen. Angeblich, so verlautete zur Begründung, müßten die Gebäude dringend von Grund auf renoviert werden. Überdies sei die Regierung bereit, den betroffenen Staaten einen anderen Besitz zur Verfügung zu stellen.

Gestern nun meinte die Regierung, den Umzugsunwilligen auf die Sprünge helfen zu müssen. Der amerikanische Botschafter Daniel Speckhard fand sich vor verschlossenen Türen wieder. Arbeiter hatten auf Anordnung von oben mal eben das Tor zur Botschafterresidenz versperrt. Washington reagierte prompt. Weißrußland verletzte internationale Abkommen über die Behandlung von Diplomaten. Die Residenz sei unverletzlich. Bei dem Vorgehen der Regierung handle es sich um den offensichtlichen Versuch, ausländische Diplomaten aus ihren Residenzen zu vertreiben. Sollten Proteste nicht ausreichen, seien die USA gezwungen, mit Vergeltungsmaßnahmen zu antworten, erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums.

Auch das Auswärtige Amt, dessen Vertreter in Weißrußland sich schneller als gedacht auf der Straße wiederfinden könnte, demonstrierte Entschlossenheit. Der ganze Vorgang sei beispiellos unter zivilisierten Staaten und eine reine Willkürmaßnahme, sagte der Sprecher des AA, Martin Erdmann. Sollte sich das Problem nicht lösen lassen, sei Deutschland gemeinsam mit den anderen betroffenen Botschaften zu scharfen Reaktionen entschlossen. „Wir hoffen, daß die weißrussische Regierung noch Einsicht zeigt und einlenkt“, sagte Erdmann.

Diese Hoffnung dürfte ein frommer Wunsch bleiben, zumal in einem Land, wo seit dem Referendum vom November 1996 nicht Recht und Gesetz, dafür aber der Diktator Alexander Lukaschenko herrscht. Demonstranten werden regelmäßig eingeschüchtert und zusammengeknüppelt und verschwinden oftmals für mehrere Monate in Gefängnissen. Angriffe auf kritische Journalisten sind an der Tagesordnung. Auch ein Jugendlicher, der vor einigen Monaten Parolen an eine Mauer sprühte, sitzt derzeit noch in einem Arbeitslager mit sogenanntem strengen Vollzug ein.

Daß die Staatsmacht jetzt auch Diplomaten ins Visier nimmt, ist nicht verwunderlich und auch nicht neu. Bereits im März vergangenen Jahres war der US-Diplomat und erste Sekretär der US- Botschaft in Minsk, Serge Alexandrow, als unerwünschte Person des Landes verwiesen worden. Zuvor war Alexandrow bei einer Demonstration mehrerer tausend Regierungsgegner in Minsk von Sicherheitskräften unter dem Vorwurf der Spionage für den CIA verhaftet worden. Als Reaktion auf den Vorfall froren die USA ihre Wirtschaftshilfe ein. Anfang dieses Jahres berief die weißrussische Regierung kurzerhand ihren Botschafter aus Warschau ab. Zur Begründung nannte Außenminister Iwan Antonowitsch ein Treffen weißrussischer Oppositioneller im ostpolnischen Bialistok, wodurch sich die polnische Regierung in die inneren Angelegenheiten des Nachbarstaates eingemischt habe.

Westliche Diplomaten vermuten indes, daß sich die weißrussische Regierung die Gebäude der ausländischen Botschaften für eigene Zwecke unter den Nagel reißen will. Das ergibt durchaus Sinn. Schließlich liegen die meisten der Residenzen in der Nähe des Zentrums und eignen sich hervorragend als Kontrollposten. Und für Lukaschenko kann Minsk nicht genug überwacht sein.

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