: Immer geradeaus
■ Drag Racing: Lustig-lärmiges Auto- und Motorrad-Rennen in Ganderkesee
Zum Beispiel Hjalmar Scheibler. Immer schon stand er auf benzinschleudernde, barockverschnörkelte Amischlitten. 1991 wurde aus der wahren Liebe ein echter Sport, jenes „Drag Racing“, das in Amiland powert wie ein Doppelwhopper, in Deutschland eher einen Underdog-Kultstatus genießt. „Die Amis können mit Formel 1 wenig anfangen, finden es komisch, mit einem schwachbrüstigen Teil blödsinnig im Kreis herumzufahren“, meint der Veranstalter – und schwärmt vom Licht-Schatten-Spiel dampfender Reifen und feuerspeiender Auspüffe bei nächtlichen Rennen, drüben im großen Land der kleinen Träume. Nach 20 Jahren Missionsarbeit feiern und saufen in Deutschland beim Top-Event am Hockenheimring immerhin 60.000 glückselig Irre. Die Rennen bei Berlin und Bremen locken gerade mal (oder immerhin?) 8.000 an.
Drag Racing ist asketisch-puristisch wie ein Walter-Gropius-Bauwerk. 1/4- (bzw 1/8-) Meilen (402/201 m). Immer geradeaus, so wie der Blick des Camelmanns. Mann gegen Mann (oder Frau gegen Mann; die neuen Machos sind stolz auf ihre Powerfrauen, Fachterminus: „Catwoman“). Wer als erstes im Ziel ist, kommt in die nächste Runde. „Zwei gehen rein, einer kommt raus“, hieß es bei „Mad Max – Unter der Donnerkuppel“.
Aber nicht immer siegt der erste. Und schon sind wir wieder bei Hjalmar Scheibler, zum Beispiel. Die Preisgelder in Deutschland dümpeln im vierstelligen Bereich. Ein Drag Monster mit 5.000 PS kann aber locker 150.000 Mark verschlingen. Für finanzschwächere Rennfreaks gibt es deshalb Rennen, bei denen nicht der Schnellste gewinnt, sondern derjenige, der sich am genauesten einer Richtzeit nähert, so wie ja auch beim Eisstockschießen nicht der weiteste, sondern der präziseste Schuß siegt. 7,9, 8,9, 9,9 oder 10,9 Sekunden sind beliebte Zeitziele. Scheibler peilt die 9,9 an. „Das macht die Sache finanziell kalkulierbar. Um 9,4 Sekunden zu fahren, brauche ich einen 700 PS Motor. Der kostet 10.000 Mark und hält immerhin 2 Jahre, weil sich die Power auf 8 l Hub verteilt.“ Der Wagenrest kostet 20.000 Mark. Inklusive Benzinverbrauch, Startgebühren von circa 150 Mark nichtet Scheiblers Hobby jährlich etwa 10.000 Mark. Unvernunft, rationalisiert. Welche Fähigkeiten braucht es zum perfekten Timing? „Erstens Selbstüberwindung, um das Gas durchzudrücken, auch wenn es Dich in den Sitz drückt, bis Du nichts mehr siehst.“ Vor allem aber muß der Vergaser exakt auf die jeweilige Rennstrecke eingestellt werden. „Dann muß man nur noch das Lenkrad festhalten, was schwer genug ist.“ Meistens aber laufen in Windeseile komplizierteste psychologische Tricksereien ab. Manchmal startet Scheibler schnell, zwingt den Konkurrenten zum Aufholen und fängt ihn ganz am Ende nochmal ab. Wie im richtigen Leben. bk
Atlas Airfields/Otto-Lilienthalstraße, Sa+So 10-18h, 35/60 Mark
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