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Salomonisches Sowohl-Als-Auch

■ PUA Polizeiskandal: Verfassungsgericht entschied über Akten / Datenschutz nicht gewährleistet / Kein Sieg für niemand Von Sven-Michael Veit

Jetzt wird aber in die Hände gespuckt. Eine Menge Arbeit kommt auf alle Beteiligten zu: Auf den Hamburger Senat, auf die Hamburgische Bürgerschaft und auf das Hamburgische Verfassungsgericht. Letzteres entschied gestern den Streit zwischen Regierung und Parlament der Hansestadt über die Herausgabe von Akten zur Aufklärung des Hamburger Polizeiskandals. Und Hamburgs oberste Richter konnten gar nicht anders: Sie entschieden salomonisch zuungunsten aller.

Im Prinzip, so wurde für Recht erkannt, muß der Senat dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) Polizeiskandal alle internen Akten „unbeschränkt“ übergeben, die dieser für seine Arbeit braucht. Andererseits müsse das Recht auf „informationelle Selbstbestimmung der Personen, deren Verhältnisse in den Akten behandelt werden“, gewahrt sein (siehe weiteren Bericht auf Seite 2).

Daran aber hapert es. Denn die Hamburgische Bürgerschaft verfügt, so die sieben Richter und zwei Richterinnen, weder über „eine Datenschutzordnung noch eine Geheimschutzordnung“. Damit sei nicht sichergestellt, daß „alle Personen, die Zugang zu den Akten haben, wirksam, d.h. mit rechtlicher Sanktion, auf die Verschwiegenheit verpflichtet worden sind“.

Es bestehe somit die Gefahr, daß aus den Akten ersichtliche „streng persönliche Informationen“ an die Öffentlichkeit gelangten: Krankheiten oder Vermögensverhältnisse einzelner Polizeibeamter zum Beispiel. Dieses sei jedoch „für den Betroffenen unzumutbar“. Und in dieser „mangelnden Regelung und Organisation des Datenschutzes“, so die höchstrichterliche Rüge an den Gesetzgeber, „liegt eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung“.

Um den Untersuchungsauftrag des PUA nicht zu gefährden, bastelte das Gericht deshalb eine höchst kunstvolle „Übergangsregelung“: Senat und PUA müssen sich ab sofort in jedem Einzelfall darüber einigen, welche Akte oder welcher Aktenteil in öffentlicher Sitzung oder eben unter Ausschluß der Öffentlichkeit behandelt wird. Leitlinie dabei sei, daß „nur soviel an Informationen öffentlich behandelt werden darf, als dies für den Untersuchungszweck erforderlich ist.“ In jedem Fall komme es, so das Gericht, „auf eine Abwägung an, die fallbezogen und individuell vorzunehmen ist“. Und wenn, so der Clou, Senat und PUA sich nicht einigen können, dürfen sie mit jedem Einzelfall gerne wieder zum Verfassungsgericht kommen. Bei etwa 1 800 einschlägigen Akten ist Vollbeschäftigung garantiert.

„Nun muß die Bürgerschaft unverzüglich ein Gesetz vorlegen“, um den vom Gericht geforderten Geheimnisschutz zu gewährleisten, kommentierte Prof. Schmidt-Jortzig, der Anwalt des Landesparlaments in diesem Rechtsstreit. Das Urteil habe verfassungsrechtliche Konsequenzen über Hamburg hinaus, da die Hansestadt nicht das einzige Bundesland mit dieser gesetzlichen Lücke sei.

Welche Konsequenzen das Urteil für die unmittelbare Arbeit des PUA haben wird, ist allerdings noch offen: Zwar erkannten gestern sowohl CDU und GAL wie auch Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) und die Bürgerschaftskanzlei „klare Worte“ in dem Urteil, allerdings meinten sie keineswegs dieselben. Ein deutliches Indiz dafür, daß das Verfassungsgericht nicht zum letzten Mal in dieser Sache bemüht wurde.

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