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Heimatnahe Einzelhaft für „Radikal“e

■ Großrazzia gegen Linke: Verschärfte Haftbedingungen und Schikanen Von Marco Carini

Zurück im Norden, aber noch hinter Gittern. Jeweils rund 120 DemonstrantInnen begrüßten am Dienstag in Lübeck und am Mittwoch in Neumünster vor den jeweiligen Gefängnissen die Verlegung zweier angeblicher „Linkskrimineller“ in „Heimatnähe“.

Der Lübecker Andreas E. und der Rendsburger Ralf M. waren neben zwei weiteren Männern bei der bundesweiten Groß-Razzia vom 13. Juni gegen vermeintliche „Linksterroristen“ festgenommen und in Bruchsal und Raststatt bei Karlsruhe inhaftiert worden. Der Vorwurf gegen die Inhaftierten: Sie hätten die verbotene linksradikale Zeitschrift radikal herausgegeben und seien deshalb als Mitglieder einer „kriminellen Vereinigung“ einzustufen.

Die Beschuldigten unterliegen jedoch auch in den schleswig-holsteinischen Gefängnissen verschärften Haftbedingungen, die sich an das 1982 erlassene Haftstatut für RAF-Mitglieder anlehnen. Einzelhaft in einem „besonders gesicherten Haftraum“, der Ausschluß vom gemeinsamen Hofgang und Zellendurchsuchungen sind an der Tagesordnung.

Zudem verweigerte der zuständige Karlsruher Ermittlungsrichter dem Beschuldigten Andreas E. die Herausgabe einer vom Buchladen am Schulterblatt im Hamburger Schanzenviertel verschickten Büchersendung. Lapidare Begründung: Der Absender stehe dem Adressaten „ideologisch nahe“.

Den Anwälten der Inhaftierten, aber auch der übrigen Durchsuchten, wird von der Bundesanwaltschaft mit dem Hinweis auf eine bestehende „Verdunkelungsgefahr“ weiterhin jegliche Akteneinsicht verwehrt. Auch eine Entlassung der Festgenommenen wurde von der Staatsanwaltschaft auf den Haftprüfungsterminen abgelehnt. Neben der Verdunkelungs- bestehe bei allen Vieren auch Fluchtgefahr.

Alle Hamburger Verdächtigten, deren Wohnungen und Arbeitsstätten bei der Groß-Razzia durchsucht wurden, müssen daneben auch weiterhin auf die bei ihnen sichergestellten Gegenstände wie Taschenkalender, Computer-Disketten und andere private Utensilien verzichten. Die Materialien, so lassen die Ermittler verlauten, seien immer „noch nicht ausgewertet“ worden.

Nur einige in einer Ottensener Druckerei sichergestellte (und zur Produktion benötigte) Computer wurden dem Besitzer inzwischen zurückgegeben. Auf die Beschwerden der bei der – schwerpunktmäßig in Norddeutschland durchgeführten – Razzia Durchsuchten reagierte die Bundesanwaltschaft inzwischen dadurch, daß sie Beschlagnahmeanträge nachschob.

Doch nicht nur die Schikanen-Serie gegen die Beschuldigten, auch die Verhaftungswelle geht weiter. Nachdem ein Mitbewohner eines in Bremen wohnhaften Beschuldigten vor der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe zweimal die Aussage verweigert hatte, schlossen sich auch hinter ihm die Zellentüren. Seit dem 4. Juli sitzt der stumme Zeuge eine fünfmonatige Beugehaft ab. Und nach Informationen der taz werden von den Staatsanwälten bundesweit noch mindestens drei Personen gesucht, die den Ermittlern bei der Razzia durch die Lappen gegangen waren.

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