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Größer, wärmer, kesser

25.000 kamen zur Parade des Christopher-Street-Day – ein Rekord. Das Schwulenmagazin hinnerk fordert: „Prominente raus!“  ■ Von Silke Mertins

Die Hamburger Parade zum Christopher-Street-Day (CSD) wird mit jedem Jahr größer: 25.000 Lesben und Schwule zogen am Samstag mit 51 Wagen und einer 226 Meter langen Regenbogenfahne – dem Symbol der Homo-Bewegung – von St. Georg durch die Innenstadt bis zum Jungfernstieg. Der Rekord ist um so erstaunlicher, als das Motto des diesjährigen CSD, „sichtbar, stark und stolz – für den Wechsel“ umstritten war. Viele sahen mit der parteipolitischen Festlegung die Unabhängigkeit der Bewegung gefährdet (taz vom 13.6.98). Die CDU nahm aus diesem Grund nicht am CSD teil.

Sozialsenatorin Karin Roth (SPD), die an der Seite der Schwusos mitmarschierte, kann die Kritik nicht teilen. „Jede Bewegung, die glaubt, sie sei unpolitisch, sollte sich in acht nehmen“, so die Sozialdemokratin. Auch Hamburgs Gleichstellungssenatorin Krista Sager (GAL), die zum Abschluß der Parade sprach, hält die Wechselforderung für angebracht. Einer rechtlichen Gleichstellung seien „Lesben und Schwule noch nie so nah gewesen.“ Nach einer Machtübernahme werde „die Regenbogenfahne über Bonn wehen“. Die GAL forderte mit einem eigenen Parade-Wagen „Adoptionsrecht für Lesben und Schwule“. Und auch eine Gruppe lesbischwuler Eltern zog samt Kindern durch die Innenstadt.

Ein Reinfall waren in diesem Jahr allerdings die CSD-Schirmpersonen, der Erste Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) und die Schauspielerin Ingrid Steeger. Runde, der die Schirmherrschaft von Vorgänger Henning Voscherau (SPD) „geerbt“ hatte, wollte von Anfang an aus „terminlichen“ Gründen nicht teilnehmen. Steeger sagte kurzfristig ab.

Das Schwulenmagazin hinnerk forderte auf der Parade homosexuelle Prominente auf, sich zu outen. „Raus!“ heißt die Kampagne, die das Magazin zur Zeit fährt. Mit vorgedruckten Postkarten soll Homo Normalo/a die Promis, darunter bekannte TV- und Polit-Gesichter, auffordern, „ihren Beitrag zur Homo-Emanzipation“ zu leisten. In der Hamburger Bürgerschaft zum Beispiel gebe es nicht etwa nur die beiden offen homosexuellen Abgeordneten Farid Müller (GAL) und Lutz Kretschmann (SPD), sondern mindestens zehn, und zwar nicht nur Hinterbänkler. „Es ist Zeit, die Drückeberger ans Licht zu drängen“, so der hinnerk.

Erstmals nahm in diesem Jahr auch der Bund lesbischer und schwuler JournalistInnen an dem Umzug teil. Sie verteilten das CSD-Extrablatt Spiegelbild, das mit der Schlagzeile „Doppelmord im Hetero-Milieu – Blutiges Ende einer kranken Liebe. Wer stoppt den Wahnsinn in unserer Stadt?“ aufmachte. Außerdem wird vor einer steigenden Brutalisierung in der Gesellschaft gewarnt: „Schlimm! Gewalt unter Heteros nimmt weiter zu.“ Eine US-amerikanische Forscherin verspreche aber, „in fünf Jahren die Pille“ gegen die „tragische Veranlagung“ gemischtgeschlechtlicher Menschen auf den Markt zu bringen.

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