: Ist Schönbohm verfassungskonform?
■ betr.: „Innensenator Schönbohm entdeckt in Berlin Ausländerghet tos“ und „Anpassen, bitte anpas sen“, taz vom 3.6.98
Sachsen-Anhalt ist vergessen und so „weit“ weg. Berliner nichtdeutscher Herkunft sind wieder in den Schlagzeilen. Forderungen nach Zuzugssperren, Quoten für sog. „Ausländerkinder“ an Schulen, Sonderklassen für Kinder nichtdeutscher Herkunftssprachen u.ä. Absurditäten sind in der Bundeshauptstadt wieder auf der Tagesordnung. Politiker der großen Koalition sind zu Fachleuten der Innen- und Ausländerpolitik avanciert und äußern sich in den entsprechenden Blättern lautstark über die sogenannten Ausländer, die eigentlich keine sind.
In Berlin leben und arbeiten über 400.000 BerlinerInnen nichtdeutscher Herkunft, ein großer Teil von ihnen lebt bereits in der zweiten bzw. dritten Generation in diesem Land. Sich im Wahlkampfjahr hinzustellen und diese Menschen für die Fehler der eigenen, verfehlten Politik verantwortlich zu machen und sie zu Sündenböcken zu erklären ist nicht nur strikt abzulehnen, sondern billig wie schmutzig und bildet den Nährboden für braunes Gedankengut. Die BerlinerInnen nichtdeutscher Herkunft haben diese Stadt mit zu dem gemacht, was sie heute ist. [...] Der Karneval der Kulturen ist die beste Antwort auf die unbedacht geäußerten Wahlkampf-Sprüche einiger Berliner Politiker. [...] Özcan Mutlu B90/Die Grünen, Berlin
Als Ex-General sollte Berlins Innensenator Schönbohm es eigentlich besser wissen. Als Soldat war es seine Aufgabe, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verteidigen; und spätestens als Offizier hätte er von dieser Aufgabe, dem Grundgesetz treu zu sein, auch überzeugt sein müssen. Aber weit gefehlt. Mit seinen unreflektierten Äußerungen zur Ausländerpolitik Berlins läßt er nur zwei Interpretationen zu: Entweder hat er schlicht keinen blassen Schimmer, welchen Geistes unser Grundgesetz auch nach einigen Verschlankungskuren noch immer ist – oder aber er äußert sich ganz bewußt verfassungsfeindlich. An konkreten Formulierungen tut er das in wenigstens zwei Punkten: Erstens verweigert er mit seiner Ablehnung eines Islam-Unterrichts (nicht nur den ausländischen MitbürgerInnen) das Recht der religiösen Freiheit. Zweitens stellt er mit seiner Forderung nach einer Ausländerquote für Bezirke das Recht der Freizügigkeit in Frage. [...] Carsten Milde, Vorstandsmitglied Deutsche Sportjugend
Mit seiner neuesten ausländerfeindlichen Hetze zeigt der Ex-General nur noch einmal, welche Pogromzustände er gern herbeieskalieren möchte. Dieser Mann ist ein Sicherheitsrisiko ersten Ranges für Berlin (und darüber hinaus)! Erinnern wir uns doch: Erst kam die „Asylantenflut“-Kampagne der Springerpresse, dann (wohl zufällig, wo Herr Kohl doch beste Kontakte zu dieser Presse besitzt) die Verschärfung des Asylrechts, und anschließend brannten – nun schon im Dauerzustand – Wohnungen und Unterkünfte von AusländerInnen. Inzwischen entstehen die ersten „national befreiten Zonen“. Wer Schönbohm und andere Brandstifter seiner Art noch weiter gewähren läßt, macht sich mitschuldig an künftigen Morden. Heinz Eckel, Berlin
betr.: Kommentar von Michael Bodemann, taz v. 3.6.98
[...] Meiner Ansicht nach bietet die sogenannte Linke allerdings auch keinen Lösungsweg, indem sie immer wieder mit erhobenem Zeigefinger den Vergleich mit der Nazi-Zeit schließt, sobald eine derartige Diskussion aufkommt, um solch einer Problematik wirksam entgegenzutreten. Das Problem entsteht nicht dadurch, daß man darüber spricht, sondern dadurch, daß man es ausschweigt. Martin Bühler, Bad Bentheim
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