: Weltmeister im Wegwerfen
Kartoffelzüchter sind vom Erdapfel meist äußerst entzückt. Zwei Millionen Mark kosten oft ihre Bemühungen um eine neue Sorte ■ Von Uwe Rehbehn
Die Kartoffel wird von vielen Menschen unterschätzt. „Denn es gibt eigentlich nichts, was man aus ihr nicht machen könnte.“ Josef Strahwald ist ein Fan des Erdapfels, vielleicht, weil er als Agrarbiologe in einer Pflanzenzuchtstation in Windeby (Eckernförde) arbeitet. Für ihn ist die Kartoffel einfach „multiflexibel“.
Denn einerseits ist dieser erdige Apfel vielfältig als Lebensmittel einsetzbar: ob ganz profan als Speisekartoffel, ob als hochprozentiger Schnaps oder gar im Schokoladenpudding. Andererseits wird die Kartoffel aber auch von der Industrie geschätzt. Manche verwenden sie bei der Herstellung von Waschmitteln, in Kosmetik- und Pharmaprodukten ist sie zu finden, aber auch in Autoreifen, Baustoffen oder Biosprit.
Dabei verschwendet kaum jemand einen Gedanken daran, wie Kartoffeln in der Moderne eigentlich gezüchtet werden. Während der seit etwa 7000 Jahren kultivierte Erdapfel zur Qualitätserhaltung ständige wissenschaftliche Kontrolle erfordert, ist die Züchtung neuer Sorten nämlich äußerst aufwendig. „Von 200.000 Ausgangssorten – jede einzelne eine potentielle neue Superkartoffel – werden letztlich nur sehr wenige vom Bundessortenamt zugelassen“, weiß Strahwald. Rund zehn Jahre forschen die Pflanzenzüchter oft an einer Sorte herum – die Kosten für eine neue Kartoffel belaufen sich da schnell auf zwei Millionen Mark.
Ist die Superkartoffel gefunden, dann werden aus einer einzigen Pflanze nach einem besonderen Verfahren in sechs Monaten 20.000 Setzlinge. Der Weg dahin ist lang. Denn was den hohen Anforderungen nicht genügt, scheidet aus dem Rennen aus. Kartoffelzüchter wie er, so meint Strahwald, seien halt „Weltmeister im Wegwerfen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen