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„Heil Hitler, Dich kriegen wir auch noch“

■ Telefonterror in Bremen / Zwei Jüdinnen wurden über Jahre belästigt / Staatsanwalt Uwe Picard: Anonyme Anrufer sind „verdammt schwer“ zu kriegen / Ermittlungen dauerten zwei Jahre

Die Anrufe kamen tagsüber und in unregelmäßigen Abständen: „Wir kommen Dich heute abend besuchen. Die Polizei wird Dir auch nicht helfen“, sprach der Mann auf den Anrufbeantworter und legte auf. „Heil Hitler, Dich kriegen wir auch noch, Du Judensau“, drohte er ein anderes Mal. Über Jahre wurden zwei in Bremen lebende Jüdinnen von einem anonymen Anrufer belästigt. Als eine Leserbriefschreiberin sich Anfang Mai über den Wahlsieg der DVU in Sachsen-Anhalt beklagte, bekam auch sie plötzlich Drohanrufe. Man habe „sie auf Sicht“, mahnte eine männliche Stimme. Gestern hat die Staatsanwaltschaft die Wohnung durchsucht, aus der dieser Anruf gekommen war. Der Mieter, ein 69jähriger Mann, bestreitet die Tat. Ein Stimmengutachten des Bundeskriminalamtes, das etwa acht Monate dauert, soll jetzt Klarheit darüber schaffen, ob er der anonyme Anrufer ist. Sollte er sich als Täter herausstellen, droht ihm wegen Volksverhetzung eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

40 Ermittlungsverfahren mit rechtsradikalem Hintergrund hat Staatsanwalt Uwe Picard allein in diesem Jahr schon ermittelt. „Während die Straftaten aus dem linken politischen Spektrum zurückgegangen sind, haben die aus dem rechten Lager nicht nachgelassen“, sagt er. Die Verbreitung von rechtsradikalen Schriften gehört dabei zu den Delikten, die am häufigsten auftreten. Der rechtsradikale Telefonterror sei die „absolute Ausnahme“, so Picard.

Ansonsten wird Telefonterror zu den alltäglichen Straftaten mit der höchsten Dunkelziffer gezählt. Die meisten Frauen wechseln irgendwann entnervt ihre Telefonnummer, statt den Täter anzuzeigen. Telefonterroristen zu ermitteln sei „verdammt schwer“, gibt Picard unumwunden zu. Das zeigt sich auch am Beispiel der beiden Jüdinnen. Seit Frühjahr 1996 versucht die Kripo den anonymen Anrufer dingfest zu machen. Eine Fangschaltung schied aus, weil der Mann die Frauen am Tage anrief und auf ihren Anrufbeantworter sprach. Ein Fangschalter muß von der Angerufenen selbst ausgelöst werden. Die Staatsanwaltschaft forderte deshalb unmittelbar nach den Anrufen bei der Telekom die Listen über die letzten Telefonverbindungen an. Diese Daten werden 72 Stunden lang gespeichert und nur gegen einen richterlichen Beschluß herausgegeben. Zehnmal forderte die Staatsanwaltschaft die Telefonlisten an. Jedesmal stellte sich heraus, daß der Mann von einer öffentlichen Telefonzelle aus angerufen hatte. Der Fall schien aussichtslos, bis sich im Mai eine weitere Frau bei der Polizei meldet. Nach der Veröffentlichung ihres Leserbriefes hatte ihr ein Mann auf dem Anrufbeantworter gedroht, daß „man sie auf Sicht“ habe. Ein Kripobeamter glaubt, die Stimme zu erkennen. Sie klingt wie die Stimme des Mannes, der auch die beiden Jüdinnen belästigt. „Stundenlang“ vergleichen die Beamten die Kassetten der Anrufbeantworter miteinander. Plötzlich – der entscheidene Hinweis: „Das Klicken beim Auflegen nach dem Anruf bei der Leserbriefschreiberin war irgendwie anders“, erinnert sich Picard. Die Auskunft der Telekom bestätigt den Verdacht: Der Anrufer hat nicht von einer Telefonzelle, sondern von einem Privatanschluß angerufen. Kripo und Staatsanwalt durchsuchen die Wohnung und finden einen weiteren Hinweis: Im Telefonbuch des Mieters ist der Name der Leserbriefschreiberin markiert. Auf dem Couchtisch liegen vier Nationalzeitungen. Der 69jährige Mann bestreitet, der anonyme Anrufer zu sein. Sollte einer seiner Gäste in seiner Wohnung telefoniert haben, steht die Staatsanwaltschaft allerdings wieder am Anfang ihrer Ermittlungen. kes

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