: Nadelstiche für Giganten
Die Regierung in Seoul unternimmt halbherzige Schritte, um überschuldete Konzerne zu entflechten ■ Aus Seoul Sven Hansen
Südkoreas Konzerne sollen nicht bleiben, was sie sind. Die Regierung in Seoul hat jetzt mit ihrer Umstrukturierung begonnen. 55 verlustbringende Firmen der großen Industriegruppen sollen keine Kredite mehr von einheimischen Banken bekommen. Wenn sich kein Käufer findet, müssen sie dichtmachen. Desweiteren strebt die Regierung einen Ringtausch verlustbringender Firmen zwischen den größten Konzernen des Landes an. Auf diese Weise sollen sie sich jeweils auf Kernbereiche konzentrieren können und nicht mehr länger die Strategie verfolgen: Es gibt alles unter einem Dach.
Die „Chaebol“ genannten Konglomerate waren das Markenzeichen des südkoreanischen Wirtschaftswunders und werden jetzt für die schwere Wirtschaftskrise mit verantwortlich gemacht. Während der Militärdiktatur in den 60er und 70er Jahren waren mehrere von einflußreichen Familien geführte Unternehmen bevorzugt mit Krediten versorgt und so von den staatlichen Planern zu rasch wachsenden Konzernen herangezüchtet worden. Heute dominieren Chaebol wie Hyundai, Samsung oder Daewoo nicht nur den einheimischen Markt, sondern sind Weltkonzerne.
Bis zum vergangen Jahr waren die Chaebol auf zweistellige Wachstumsraten abonniert. Inzwischen waren sie nicht mehr auf vom Staat verordnete Kredite angewiesen, sondern hatten sich für ihre Expansion zunehmend frisches Geld im Ausland besorgt. So wurden nicht nur große Überkapazitäten aufgebaut, sondern es entstanden auch undurchsichtige Finanzgeflechte, weil die Firmen in den Konzerngruppen jeweils füreinander bürgten. So blieb die Gefahr der wachsenden Verschuldung verschleiert – bis Süd-Korea Ende letzten Jahres den Internationalen Währungsfonds um ein Kreditpaket von 57 Milliarden Dollar bitten mußte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Chaebol mit durchschnittlich 465 Prozent ihres Eigenkapitals verschuldet.
Die seit Ende Februar amtierende Regierung unter Präsident Kim Dae-jung hat die Reform der Chaebol zum Schwerpunkt erklärt. In den vergangenen Wochen überprüfte eine von der Regierung eingesetzte Bankenkommission 313 Unternehmen auf Rentabilität und Verschuldung. 22 Unternehmen wurden als nicht überlebensfähig eingestuft. Kim ließ die Liste jedoch nachbessern, da keine Unternehmen der fünf größten Chaebol darauf standen. „Das hätte uns in der Öffentlichkeit sehr viel Glaubwürdigkeit gekostet“, so Präsidentensprecher Park Jung-ho zur taz. Auf der am Donnerstag der Öffentlichkeit präsentierten neuen Schwarzen Liste gehören nun 20 der 55 Firmen zu einem der fünf größten Chaebol: Hyundai, Samsung, Daewoo, LG und SK.
Kritiker bemängeln, die Liste sei unvollständig und enthalte Firmen, die bereits Bankrott erklärt hätten. Ein Sprecher des militanten Gewerkschaftsbunds KCTU, der seit langem eine Reform der Chaebol fordert, bezeichnete die genannten Firmen als „kleine Fische“. Trotzdem wird ihre Schließung wohl weitere 25.000 Arbeitsplätze kosten.
Gescheitert ist die Regierung bisher mit dem Versuch, die vier größten Konglomerate zu einem Ringtausch verlustbringender Firmen zu drängen. Sprecher der Chaebol dementieren, daß es überhaupt solche Gespräche gebe. Laut Präsidentensprecher Park scheiterte der Tausch bisher an einem Konzern. Die Regierung kündigte inzwischen auch an, eine Schwarze Liste der Banken veröffentlichen zu wollen, die sie als nicht überlebensfähig einstuft.
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