: Das wahnsinnige tobende Monster im Rathaus Von Ralf Sotscheck
Endlich ziehen Würde und Ernsthaftigkeit, die der ewig grinsende Premierminister Tony Blair so schmerzlich vermissen läßt, in die britische Politik ein: Ashburton, ein Städtchen in Devon, hat ein wahnsinniges tobendes Monster zum Bürgermeister gewählt. Der 55jährige Alan Hope von der Monster Raving Loony Party war früher Rockmusiker, ebenso wie sein Parteichef Screaming Lord Sutch.
Der brüllende Adelige nannte seine Organisation ursprünglich Teenager-Partei, doch das ist lange her. Lord David Sutch ist schon weit über 50. Ein Tory bezeichnete ihn mal als „raving loony“, als rasenden Irren, und das gefiel dem Lord so gut, daß er seine Partei auf der Stelle umbenannte. Bei den Wahlen nützte ihm das freilich nichts, was möglicherweise aber am ungewöhnlichen Parteiprogramm lag. 1992 versprach man im Wahlkampf bleifreie Bleistifte für die Polizei und die Streichung der schlimmsten Wintermonate Januar und Februar. Sutch hoffte auf einen Ministerposten für ein wahnsinniges Monster, falls seine Partei nach den Wahlen das Zünglein an der Waage gewesen wäre. War sie aber nicht.
Einen ihrer größten Erfolge errangen die Loonies bei der Nachwahl in Newbury im Mai 1993, als die Popularität der Tories auf dem Nullpunkt war. Der schreiende Lord ließ den Konkurrenten der Grünen Partei weit hinter sich, was bei den Umweltschützern noch heute tiefe Depressionen verursacht, und erhielt nur 700 Stimmen weniger als der Labour-Kandidat. Der kam allerdings – und das wird in den Monsterparteiannalen gerne verschwiegen – nur auf zwei Prozent der Stimmen, der Sitz fiel an die Liberalen.
Der Bürgermeisterposten in Ashburton ist der vorläufige Höhepunkt in der Parteigeschichte. Der Priester und die Frau des Bestattungsunternehmers hatten den Kneipenbesitzer Hope nominiert. Hatte er ihnen vielleicht etwas in die Getränke getan? Jedenfalls wurde hier erstmalig ein Loony- Mitglied in ein Amt gewählt, und Hopes erste Amtshandlung war die feierliche Eröffnung eines Pfadfinderinnentreffens. Seine zweite Amtshandlung war die Verteilung von Corned Beef an die Armen, was ein anderes Monster Raving Loony auch schon mal gemacht hatte: Margaret Thatcher.
Hopes Hauptinteresse liegt jedoch auf anderem Gebiet: „Hundescheiße ist unser großes Thema“, sagt er. „Haben Sie bemerkt, daß sich Farbe und Konsistenz verändert haben? Als ich klein war, trocknete das Zeug schnell und wurde zu einem weißen Pulver. Kein Grund zur Sorge, wenn man drauftrat.“ Er macht die chemische Verunreinigungen des Hundefutters dafür verantwortlich. Deshalb sollen dem Hundefutter fluoreszierende Stoffe beigemischt werden, damit die Hundehaufen weithin sichtbar leuchten. Gegen die Verschmutzung des Flusses im Ort weiß er auch ein Mittel: „Krokodile müssen ausgesetzt werden, die das ganze Zeug fressen.“
Ashburton ist für die Monster Raving Loony Party lediglich ein Probelauf: Screaming Lord Sutch kandidiert für das Bürgermeisteramt in London. Ob die Hauptstadt reif für die Klapsmühlenpartei ist? Bunte Hundehäufchen vor dem Buckingham-Palast und exotische Reptilien in der Themse würden die Anziehungskraft der Swinging City zweifellos erhöhen.
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