Strich- und klecksweise heiter

■ Die Galerie Rabus zeigt neue Arbeiten des Feinhumorikers Harald Falkenhagen

Ein dramatischer Auftakt: „Das wollte ich schon lange tun“. Was denn? Nackt vom Eiffelturm springen? Pelzbemantelt am Äquator herumstolpern? Oder einmal König von Deutschland sein? Ach was. Harald Falkenhagen wollte schon lange mal was ganz anderes, was wirklich irres machen: Zwei kleine schmutzige Farbflecken aufeinander treffen lassen. Lila und grauschwarz. Gedacht – vier DIN-A4 Bilder später – getan. Totale Wunschbefriedigung in, wie Falkenhagen mit der ihm eigenen Pedanterie schwarz auf weiß (neben all seinen Zeichnungen) notiert, schlappen drei Minuten. Oh, glücklicher Falkenhagen. So erfüllend kann das Leben eben auch sein.

Überhaupt müssen wir uns Harald Falkenhagen als glücklichen Menschen vorstellen. Die Galerie Rabus dokumentiert das in ihrer neuen Ausstellung bildreich. An einem Freitag im vergangenen September, kurz nach dem Mittagsmahl, fragte er sich: „Kann man eigentlich auch auch mit Messer und Gabel zeichnen?“ Und: Kann man? Man kann. Heureka! Vier zufriedenstellenden Gabelstricheleien folgen drei nicht minder genußvolle Messerattacken. Oder das als „Minigolf“ angekündigte Werk. Zwei Bilder. Zwei Löcher. Zwei Treffer ins Schwarze. Minigolf halt. Tiefsinnig?

Natürlich. Duchamp'scher Witz ist allgegenwärtig. Picassos genialer Reduktionismus wird virtuos fortgeführt, Warhols anarchischer Nonsens ist gar omnipräsent. Und, als unübersehbare politisch-weltanschauliche Komponente, west der totale Materialismus in Falkenhagens Bildergeschichten. Symp-tomatisch dafür die eindeutige Arbeit namens „Mehr nicht“. Drei zartrosa Flecken später: „Das war alles.“ Zum Verzweifeln. Totale Immanenz. Kein Gott, keine Ewigkeit, kein metaphysisches Paralleluniversum voller vertrackter, letzter, rätselhafter Weisheiten. Einfach nur: „Das war alles.“

In geradezu stoischem Gleichmut entwirft Falkenhagen seine von milder Ironie durchzogenen Alltagsdramen, erfreut sich an blaßgelben Tupfern, erinnert sich sehr sehr dunkel an die Sterne oder zeichnet, wie in „Geduld und Spucke“, im wahrsten Sinne des Wortes mit dem, was ihm gerade auf der Zunge liegt. Ein Feinhumoriker, der wie sein filmisches Pendant Woody Allen jede seiner Schrullen, wie etwa die Furcht vor dem großen runden Ganzen, sorgsam pflegt. Nie beginnt eine Arbeit zur vollen Stunde, immer endet sie irgendwo zwischen zwischen 01 und 09 nach. Ständig knapp daneben, halt wie das richtige Leben.

Falkenhagen: Ein Künstler, der, um es präzise auf den Punkt zu bringen, so ist wie sein Kochbuch. Glauben Sie nicht? Dann werfen sie ein Blick auf „Ich male mal einige Gerichte aus meinem Kochbuch.“ Gezeichnet am 16.2.98, in 15 Minuten. zott

1. P.S. Kleine Anekdote am Rande: Kürzlich erst entfachte, am Bodensee war's, Falkenhagens bildgewordener Minimalismus eine rege Kunstdebatte. Ein unscheinbarer schwarzer Querstrich inklusive des Untertitels „Der See“ erzürnte die BodenseeianerInnen. „Was sagt der Steuerzahler dazu“-Kritiker meldeten sich ob dieser Zeichnung zu Wort, flankiert von „Das kann ich ja auch, ist also keine Kunst“ -KunstexpertInnen. Glückliche Provinz, in der Harald Falkenhagens Zeichnungen Skandale entfachen können.

2. P.S.: Auch Harald Falkenhagen ist nicht immer ein glücklicher Mensch. Aber er hat den großen Vorteil, daß seine Sinneskrisen, wie am 14.8.97 dokumentiert, kaum länger als 60 Sekunden andauern. Glücklicher Falkenhagen. Ach ja.

Die Ausstellung ist bei Rabus - mit einer Unterbrechung in den Ferien - bis zum 20. September zu sehen. Öffnungszeiten: Di bis Fr, 15-18 Uhr; Sa 11-13 Uhr und nach Vereinbarung (Tel.: 35 65 68). Am Freitag veranstaltet Katrin Rabus ein Sommerfest. Einlaß ist ab 18 Uhr. Harald Falkenhagen ist zudem mit einer Arbeit am „Kunstfrühling '98“ im alten Güterbahnhof beteiligt.