: Die Partei, die Partei beendet den Streit
Bündnis 90/Die Grünen ziehen Kritik an ihrem Sprecher Jürgen Trittin zurück und erteilen grimmige Solidaritätsadresse. „Mit dieser Geschichte haben sich alle schwer getan“, meint der Rehabilitierte ■ Aus Bonn Bettina Gaus
„Ich habe niemanden um einen Schirm gebeten“, antwortet die Bundestagsabgeordnete Uschi Eid leicht gereizt auf die Frage, ob sie sich jetzt nicht im Regen stehengelassen fühlt. Gerade haben sich Bundes- und Fraktionsvorstand von Bündnis 90/Die Grünen auf die gemeinsame Erklärung geeinigt, in der Angriffe gegen Jürgen Trittin „mit allem Nachdruck“ zurückgewiesen werden.
Uschi Eid gehört zu den schärfsten KritikerInnen des Parteichefs und stand damit tagelang nicht alleine. Auch Fraktionschef Joschka Fischer hatte sich noch am Freitag im Bundestag öffentlich vom Vorstandssprecher distanziert. Am Montag hat er nun die Solidaritätserklärung mitverfaßt und damit für einige andere eine schwierige Lage geschaffen. „Das ist nicht meine Erklärung“, meint Uschi Eid. Wenn die Gremien so etwas erklären wollten, dann sei das deren Sache.
Die Führungsspitze wollte das ziemlich dringend. Nach den negativen Schlagzeilen der letzten Tage war sie sich wenigstens darüber einig, daß der öffentlich ausgetragene Familienstreit den Wahlchancen der Partei insgesamt schadet. Entsprechend waren auch gestern alle Seiten darum bemüht, die Kontroverse nicht erneut anzuheizen. Es gebe in der Angelegenheit weder Gewinner noch Verlierer, hieß es übereinstimmend. „Es gibt einen Sieger. Das ist die Partei, weil dieser mißliche Streit beendet ist“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Werner Schulz. Fraktionssprecherin Kerstin Müller erklärte: „Die Kategorien Sieg und Niederlage halte ich in diesem Zusammenhang für völlig falsch. Es ging darum, daß wir zu einer gemeinsamen Politik zurückfinden, und das haben wir erreicht.“
Warum die Beteiligten dazu am Montag mehr als fünf Stunden brauchten, dazu wollte sich gestern niemand öffentlich äußern. „Ich halte gar nichts davon, das Zustandekommen derartiger Kompromisse in der Rückschau zu beleuchten“, meinte Jürgen Trittin. „Es haben sich alle mit dieser Geschichte schwer getan.“ Auf der Fraktionssitzung taten sich damit einige auch weiterhin schwer. Erneut wurde Kritik am Vorstandssprecher laut, der Verteidungsminister Rühe vorgeworfen hatte, die Bundeswehr in die Tradition der Wehrmacht zu stellen. Dennoch überwogen auch unter den Abgeordneten die Stimmen derjenigen, die eindringlich zur Geschlossenheit mahnten.
Noch wenige Stunden zuvor hatte es so ausgesehen, als drohe den Grünen drei Monate vor den Bundestagswahlen ein offener Richtungskampf. Was als Streit über Äußerungen von Jürgen Trittin im Zusammenhang mit einem Rekrutengelöbnis in Berlin begonnen hatte, war binnen weniger Tage zu eimem öffentlich ausgetragenen Gefecht von Vertretern verschiedener Strömungen eskaliert. Rücktrittsforderungen, Unterstützungsbriefe und sogar persönliche Beleidigungen machten die Runde und wurden der Einfachheit halber nur selten an die Betroffenen selbst gerichtet, sondern meist gleich direkt an die Medien weitergeleitet. Gleichzeitig aber wuchs die Zahl derer, die die Vorgänge mit fassungslosem Entsetzen beobachteten und mit Blick auf die Bundestagswahlen verheerende Konsequenzen befürchteten.
„Ich kämpfe derzeit gegen das Asylbewerberleistungsgesetz“, stöhnte am Rande der Fraktionssitzung am Montag Andrea Fischer. „Das ist ein wirklich wichtiges Thema. Aber mit so etwas dringt man jetzt gar nicht mehr durch.“ Wenn die Partei mal wieder mit Personalknatsch in den Schlagzeilen sei, dann mache Wahlkampf richtig Spaß, spottete die Abgeordnete. Es sei dann so einfach, beispielsweise vor den berufsständischen Versorgungswerken über Sozialpolitik zu reden.
Am Abend schien der Friede wenigstens leidlich hergestellt. Mit leichter Verspätung brachen die Abgeordneten zur lange geplanten Bootstour auf dem Rhein auf. Parteichef Jürgen Trittin war nicht mit von der Partie.
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