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Ein letzter Versuch

■ arte kriegt ein neues Programmschema und einen neuen Chef. Ob der Kultursender damit aber auch neue Zuschauer kriegt, ist eher fraglich

Es hat immer noch viel von höherer Diplomatie, wenn der Kultursender arte sich anschickt, sein Programm zu präsentieren. Sechs mehr oder minder grauhaarige Herren finden sich auf einem Podium ein und blicken hilfesuchend zum nächsthöheren Hierarchen, wenn mal harmlos nach Zahlen gefragt wird (Zahlen gibt‘s nicht). Die deutschen und französischen Funktionäre pflegen voreinander einen Ton wie bei Staatsbesuchen.

Ist das hier überhaupt noch ein Fernsehsender, oder läuft das Programm, das ja meistens besser ist, als die Kniffe der Strippenzieher, eher nebenher mit? In Frankreich, schwärmt ein arte-PR-Mann, sei das alles ganz anders. Da werde arte-Chef Jerôme Clément empfangen „wie ein Präsident“, und auch so behandelt, von der Presse.

Aber in Frankreich ist sowieso alles anders. Da hat arte auch fast 9 Millionen Zuschauer und krebst nicht bei höchstens 2,8 Mio. (die den Kanal in einer Woche wenigstens 15 Minuten lang gucken) herum, wie in Deutschland. Das aber liegt „an der Konkurrenz“ hierzulande, erklärt NDR-Intendant Jobst Plog, der der Versammlung der arte-Gesellschafter (ARD-Sender, ZDF und Frankreichs Staatssender La Sept) vorsitzt. Da in Frankreich die meisten Zuschauer nur sechs Programme empfangen können und nicht dreißig wie die Deutschen, blieben einfach mehr Franzosen bei arte hängen. Das andere Verhältnis zur Kultur komme dazu, sagt Plog.

Weil man aber den Deutschen auf die Schnelle aber ebensowenig ein frankophones Kulturgefühl einbimsen kann, wie zwei Dutzend Sender wegnehmen, hat man sich vorläufig geeignet, daß alles an den Anfangszeiten des Senders liegt. Wenn arte um 20.45 Uhr sein Abendprogramm startet, habe sich der deutsche TV-Gucker seinen Kanal längst gesucht, so die Erklärung. Für Frankreich dagegen ist viertel vor neun goldrichtig.

Die Lösung liegt nahe, jedenfalls solange das Programm nicht auseinandergeschaltet werden soll: Irgendwie muß man die Deutschen in der halben Stunde zwischen 20.15 und 20.45 Uhr bei Laune halten. Das soll ab 12. September mit einer neuen Sendelsiete mit aktuellen Reportagen geschehen.

All das wäre kein Problem, wäre nicht um diese Zeit bislang die Nachrichtensendung „Achteinhalb“ gelaufen. Und die erfüllte sich in Frankreich großer Beliebtheit (500.000 Seher), in Deutschland sahen sie gerade 50.000 Zuschauer. Die Nachrichten sollen künftig um 19.50 anfangen. „Ein Opfer“ der Franzosen, so der deutsche arte-Vize Jörg Rüggeberg. Daß man Frankreich verliere und Deutschland nicht gewinne, daß seischon eine Sorge, sagt Chefredakteur Georg Schmolz.

Man merkt, daß immer noch nationale Kategorien entschiedend sind, bei arte. Die politischen Händel sind es auch, die eine wirkliche Reform des Senders bislang verhindern. Nach wie vor bestimmen die Sender, denen arte gehört, weitgehend das Programm, bedienen sich gerade die deutschen Partner bei Produktionskosten aus dem arte-Topf, um die Filme dann fast im Geheimen auf arte zu versenden. Auf die dicken Quoten hoffen sie im eigenen Programm. Von daher haben sie oftmals sogar ein Interesse am geringen Zuschaueranteil. Und Programmchef Victor Rocarie freut sich schon, daß er künftig bei 105 Minuten des arte-Programms wirklich ein Wörtchen mitreden darf.

Alles wird sich „nur entwickeln wenn arte erst einen deutschen präsidenten hat“, sagt der derzeitige Amtsinhaber Clément. Aber das ist schon wieder so ein Problem. ZDF-Chef Dieter Stolte blockiert vorerst weiter eine Wahl von Jobst Plog. Immerhin hat er da die nationalen Grenzen schon mal überwunden: Er ist durch die französische Presse getingelt und läßt sich als „Herr arte“ (L'Express) präsentieren. Lutz Meier

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