piwik no script img

Musik liegt in der Luft

Warte, warte nur ein Weilchen: Bald kommen auch die 80er wieder – „Eine Hochzeit zum Verlieben“ allerdings kennt weder Maggie Thatcher noch Ronald Reagan, und der Plot stammt eh aus den 50er Jahren  ■ Von Thomas Winkler

Wer geglaubt hat, die 70er seien häßlich gewesen, der wird sich wundern, wenn die 80er zurückkommen. Was ja irgendwie anstehen würde, aber akut wohl doch nicht zu befürchten ist. Noch werden die Kinokassen eindeutig von den Seventies mit „Boogie Nights“ und natürlich dem Revival des schlaghosigsten aller 70er-Jahre- Genres, dem Katastrophenfilm, beherrscht. „Eine Hochzeit zum Verlieben“ schlug sich aber dort, wo er „The Wedding Singer“ heißt, immerhin respektabel.

Was natürlich in erster Linie an der Musik liegt. Und daran, daß es inzwischen Menschen gibt, die alt genug sind, daß sie schon wieder vergessen haben könnten, zu welchem Song sie in den 80ern ihre ersten Küsse geküßt haben. Diese Musik kommt in „The Wedding Singer“ teilweise auch aus dem immer noch popmusikalischen Entwicklungsland Deutschland. Freudig erregt greift der Verleih hierzulande dies offensiv als Verkaufsargument auf und stellt Nena und Falco in seiner Anpreisung noch vor, ähem, Kajagoogoo, Musical Youth, Hall & Oates oder die J. Geils Band. Aber es gab Schlimmeres in den 80ern: extrem aufgetuffte Frisuren und keine Handys. Dafür gab es bunte Bänder in den Haaren. Und Karottenhosen, lächerlich kurze Kunstlederjacken oder Nackenspoiler mit Strähnchen: Dinge, an die man sich besser erst gar nicht mehr erinnert. All das wieder zu sehen in „The Wedding Singer“ ist ein kleinerer Schock. Ob er heilsam ist, hängt vom persönlichen Verhältnis zur eigenen Vergangenheit ab.

Inmitten dieses Jahrzehnts, im Jahre 1985, vor einem pastellfarbenen Hintergrund wie aus einer „Miami Vice“-Folge, entfaltet sich eine romantische Komödie. „The Wedding Singer“ erzählt von eben jenem Sänger, der immer nur auf den Hochzeiten anderer Leute singt, aber doch eigentlich selbst gerne verheiratet sein möchte mit Häuschen, Kindern und Monogamie. Hey Leute, waren das nicht die 80er? Das Jahrzehnt von Crossdressing, Androgynität und Culture Club?

Diesem Umstand trägt der Film zwar mit der Besetzung der Hochzeitsband Rechnung, aber der Protagonist wird dazu verdonnert, die Werte der 50er zu verkaufen. Oder besser: Der Film braucht die Werte der 50er, weil romantische Komödien einfache Grundschemata brauchen.

So rät Drew Barrymores Mutter, um den langjährigen Verlobten unter die Haube zu zwingen: „Du solltest eine Scheinschwangerschaft in Erwägung ziehen.“ Wer jemanden kennt, der in den 80ern tatsächlich verlobt war, soll sich jetzt melden oder für immer schweigen. Aber: Sollte sich die freie Liebe jemals flächendeckend durchsetzen, wäre die romantische Komödie zum Aussterben verurteilt.

Romantische Komödie geht so: Von Anfang an ist klar, daß sich Barrymore und der Hochzeitssänger, gespielt von Adam Sandler, der wie jeder andere US-Komiker vor ihm bei „Saturday Night Live“ (dem Vorbild von „RTL Samstag Nacht“) groß geworden ist, kriegen müssen. Ebenso unvermeidlich sind die Widerstände, Mißverständnisse und die verlogenen Beziehungskisten, die bis dahin aus dem Weg zu räumen sind.

Dabei hat „The Wedding Singer“ die Balance zwischen Schmalz und Schadenfreude gefunden. Mal sinkt das Humorniveau ins Bodenlose, dann werden Blicke tief in blaue Augen versenkt. Die Charaktere sind prototypisch und schlicht gehalten, was nicht weiter auffällt, weil sich doch niemand mehr so genau erinnern mag an diese Zeit. Problematisch wird es erst, als Billy Idol auftaucht als Billy Idol. Da sieht man seinem Bauch und seinem Gesicht vehement an, wie lange es nun schon her ist, daß ein CD-Player noch ziemlich exotisch war.

Aber der hauptsächliche Grund, warum „The Wedding Singer“ funktioniert, ist wahrscheinlich, daß es selbst in den 80ern Musik gab, die es wert ist, daß einen der Film an sie erinnert: Elvis Costello, The Cure (auch wenn sie hier durch den Kakao gezogen werden), B-52s, vielleicht sogar The Police. Außerdem war es das Jahrzehnt, in dem alle fest daran glaubten, Pop könnte die Revolution lostreten: ABC, Scritti Politi, Gang of Four. Die tauchen zwar nicht auf, aber immerhin Spandau Ballet, die stolz ihre Labour-Ausweise aus ihren sündhaft teuren Anzügen zogen, während Maggie Thatcher und Ronald Reagan noch regierten.

Aber: Nena ist inzwischen Mutter, Falco ist tot, und Michael Jackson hat sich auch ganz schön verändert. Das sollte eigentlich reichen, daß manchem endlich klar wird, daß man nicht ewig 28 bleiben kann. Das sollte aber auch klar machen, daß es absolut unvermeidlich ist, daß die 80er demnächst wiederentdeckt werden. Nicht zuletzt ist die Generation, die sich momentan auf Techno-Raves und in stroboskopdurchblitzten Bunkern rumtreibt, in diesem Jahrzehnt gezeugt worden.

„Eine Hochzeit zum Verlieben – The Wedding Singer“. Regie: Frank Coraci, Buch: Tim Herlihy. Mit Adam Sandler, Drew Barrymore, Christine Taylor, Allen Covert, Angela Featherstone, Steve Buscemi. USA 1997, 95 Min.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen