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Portugal stimmt über Schwangerschaftsabbrüche ab

■ Gegner der Fristenlösung wollen auch nach dem erwarteten Sieg der Reform nicht aufgeben. Die katholische Kirche macht Stimmung gegen das Gesetz. Große Parteien sind darüber uneins.

Madrid (taz) – Tag und Nacht fleht die kleine „Gebetsgruppe für das Leben“ in der Kapelle Bon Sucesso im Lissabonner Vorort Belém ihren Herrgott an, er möge sie erhören und die morgen stattfindenden Volksabstimmung über das Recht auf Schwangerschaftsabbruch negativ ausgehen lassen.

Die Unterstützung der katholischen Kirche Portugals ist ihnen sicher. Der Bischof der Hauptstadt, José Pilocarpo, forderte seine Pfarrer auf, morgen noch einmal deutlich „gegen Abtreibung als Verhütungsmethode“ und für die „unverletzliche Würde des Lebens“ zu predigen. Sein Kollege in Viseu, Antonio Monteiro, vergleicht die Liberalisierung des Abtreibungsrechtes gar mit dem Wüten in den deutschen Vernichtungslagern.

Umfragen zufolge werden 54 Prozent der Stimmberechtigten dem Bündnis aus fortschrittlichen Frauenverbänden und namhaften Mitgliedern der Linksparteien, „Ja für die Toleranz“, folgen und für das Recht der Frauen auf Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten zehn Wochen stimmen. Nur 36 Prozent der BürgerInnen sind für die Beibehaltung der bisher gültigen rigiden Indikationsregelung, die eine Abtreibung nur dann zuläßt, wenn die Schwangere vergewaltigt wurde, wenn Gefahren für die körperliche oder psychische Gesundheit der Mutter oder Mißbildungen des Fötus zu befürchten sind.

Seit dem Wahlsieg der Sozialisten im Januar 1996 bestimmte das Abtreibungsrecht immer wieder die politische Debatte in Portugal. Im Februar 1997 scheiterte die Fristenlösung am Fehlen einer Stimme im Parlament. Ein Jahr darauf schaffte es eine reformierte Reform. Die Frist wurde von zwölf Wochen auf zehn verringert und eine Zwangsberatung vorgeschrieben. Trotzdem gaben die Sozialisten dem Druck der Opposition nach und riefen die 8,5 Millionen Wahlberechtigten zur Volksabstimmung auf. Erst seit einer Änderung im letztem Jahr ermöglicht die Verfassung Plebiszite.

Die beiden großen politischen Parteien, die regierenden Sozialisten (PS) und die oppositionellen Sozialdemokraten (PSD), hielten sich weitgehend aus der Kampagne heraus, weil die Fronten quer durch die Parteien verlaufen. So ist der sozialistische Regierungschef Antonio Guterres praktizierender Katholik und anders als die große Mehrheit seiner Gefolgschaft strikter Abtreibungsgegner. Eine klare Haltung nehmen nur die rechte Partido Popular (PP) und die Kommunistische Partei Portugals (PCP) ein. Während erstere das Bündnis für das Nein unterstützt, werben die Kommunisten für das Ja. Zwar bekommen jährlich 300.000 Frauen die Indikation. Doch auf 20.000 pro Jahr werden die illegalen Abtreibungen im Ausland oder bei Kurpfuschern geschätzt. 800 Frauen sterben bei unsachgemäßen Eingriffen.

Doch auch bei einer Fristenlösung könnte so mancher Krankenhausarzt unter Berufung auf Gewissensnöte die Abtreibung verweigern. Und der Leitartikler der Zeitschrift Expresso denkt über einen Steuerboykott im Falle einer Liberalisierung nach: „Wäre es nicht intolerant, von denen, die in der Abtreibung die Vernichtung menschlichen Lebens sehen, zu verlangen, daß sie mit ihren Steuern die Krankenhäuser finanzieren?“ Reiner Wandler

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