piwik no script img

■ Morgen ist Hongkong ein Jahr unter chinesischer HoheitPrüfung vorerst bestanden

Hongkong sei wie ein Rolls-Royce, pflegte der letzte britische Gouverneur, Christopher Patten, zur Zeit der Rückgabe der Kolonie an die Volksrepublik China stolz zu sagen. Die chinesische Regierung brauche sich nur hinters Steuer zu setzen, solle aber bloß nicht am Motor herumspielen. Seit einem Jahr gehört die Stadt nun zur Volksrepublik. Statt wie befürchtet politisch einzugreifen, hat Chinas Regierung sich so gut wie nicht eingemischt. Die pekingkritischen Demonstrationen zum Jahrestag des Tiananmen-Massakers erfolgten ebenso unbehindert wie die Wiederwahl prodemokratischer Parlamentsabgeordneter.

Peking hatte Pattens Nachfolger Tung Chee-hwa signalisiert, welchen Weg er einschlagen soll. Damit er nicht vom Kurs abkommt, waren in Form der neuen Verfassung und entsprechend verschärfter Sicherheitsgesetze hohe Leitplanken aufgestellt worden. So konnte die Regierung der Volksrepublik Tung die Luxuslimousine fahren lassen und brauchte ihm bisher nicht ins Lenkrad zu greifen. Wenn in den vergangenen zwölf Monaten in der Sonderverwaltungsregion Hongkong politische Rechte bedroht waren, kam die Gefahr eher von Hongkongs Elite als aus Peking.

China hat gezeigt, daß es mit Luxuskarossen umgehen kann. Das internationale Ansehen der chinesischen Führung ist aufgrund ihres besonnenen Umgangs mit Hongkong gestiegen. Ironischerweise kam dabei Hongkongs Motor ins Stottern. Die Stadt geriet wegen der Asienkrise unerwartet in die Rezession. Wegen der Halbierung der Aktienkurse und der höchsten Arbeitslosenquote seit 15 Jahren ist die jetzige Hongkonger Regierung Umfragen zufolge weniger beliebt als die letzte Kolonialregierung. Aufgrund des überhöhten Wechselkurses und der hohen Immobilienpreise bescheinigen Ökonomen heute der Stadt mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. Mag Hongkong mit einem Rolls-Royce vergleichbar gewesen sein, so ist seine Wirtschaft inzwischen sowenig gewinnbringend und zukunftsweisend wie die Autos der britischen Nobelmarke.

Peking überläßt Tung den stotternden Motor und schielt nach Taiwan. Nach der bestandenen Prüfung in Hongkong will Chinas Regierung nach der gleichen Formel „Ein Land – zwei Systeme“ die Wiedervereinigung mit Taiwan. Dies ist der Hauptgrund für Pekings Zurückhaltung in Hongkong. Wenn Hongkong eine Nobelkarosse war, so ist Taiwan ein ganzes Autohaus. Peking weiß, daß es als Autohändler ungeeignet wäre, sollte es wegen Hongkong seinen Führerschein wieder verlieren. Sven Hansen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen