piwik no script img

Gegen „Radio Trommel“ setzt Senegal auf Gewalt

■ Die Armeerevolte in Guinea-Bissau weitet sich aus. Senegals Militärintervention erfolglos

Berlin (taz) – „Bom Dia, Camaradas. Hier spricht Radio Bombolon, das Radio des Komitees für Gesetz und Gerechtigkeit.“ Unterlegt mit flotten Melodien, verbreiten die aufständischen Militärs im westafrikanischen Guinea-Bissau im „Radio Trommel“ großzügige Offerten. Den Interventionstruppen aus Guinea und Senegal wird „freier Abzug“ angeboten. Sogar Präsident Nino Vieira dürfe das Land verlassen. Und nach einer wortreichen Entschuldigung an die wenigen in der umkämpften Hauptstadt Bissau verbliebenen Zivilisten, man müsse „leider noch ein bißchen weiterbomben“, folgt die unmißverständliche Losung: „Wir lassen uns nicht ein zweites Mal kolonisieren. Nicht von Senegal. Nicht von Frankreich.“

Drei Wochen nach Beginn des Aufstands von Armeechef Ansumane Mané in Guinea-Bissau bestimmen propagandistische Töne das Kriegsgeschehen. Die diversen militärischen Offensiven senegalesischer Eliteeinheiten zum Schutz des Präsidenten Nino Vieira gegen die Armeerevolte haben bisher wenig gebracht außer Hunderte Tote. Präsident Vieira verfügt weder über Rückhalt in der Bevölkerung noch über nennenswerte ihm loyal ergebene Streitkräfte. Der ominöse Militärkomplex Bra, ein noch von den Sowjets mit kilometerlangen unterirdischen Bunkern ausstaffiertes Kasernenareal am Rande der Hauptstadt, befindet sich noch immer in der Hand der Aufständischen, ebenso wie der Flughafen. Vieiras Machtbereich endet hinter den ausgebrannten Botschaften Frankreichs und der USA. Verwüstet sind auch einige von Vieiras Immobilien. Durch die „befreiten Zonen“ im Norden und Osten des Landes ziehen Komitees der Aufständischen, um über ihre Forderungen zu informieren: „Moralische Erneuerung“ und „umgehend“ Neuwahlen.

Vieira und die von ihm zu Hilfe geholte Regierung Senegals setzen auf eine militärische Lösung. Vermittlungsbemühungen, unter anderem von Gambias Außenminister Sedat Jobe oder dem katholischen Erzbischof von Bissau, Bischof Ferrazetta, blieben vergeblich. Ein erster direkter Kontakt zwischen Regierung und Rebellen, eingefädelt von Portugal, wurde gestern abgebrochen, woraufhin die Kämpfe in der Hauptstadt Bissau nach mehrtägiger Ruhe wieder aufflammten. Darüber hinaus blockiert Senegal bislang jede humanitäre Hilfe für die schätzungsweise 200.000 Flüchtlinge, die sich vor den Kämpfen ins Hinterland gerettet haben. „Kein Sack Reis“ soll ins Rebellengebiet gelangen, berichtet ein im Land verbliebener Portugiese via Satellitentelefon. Statt dessen habe der Senegal bereits am Wochenende neue, starke Truppenverbände im Westen und Süden an Land gesetzt. Ein Luftangriff auf die kleine Grenzstadt Ingore forderte über 100 Tote.

Seit gestern berät auch die Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft), ob ihre aus Liberia und Sierra Leone bekannte Eingreiftruppe Ecomog nach Guinea-Bissau einrücken soll. Nigerias neuer Machthaber Abdulsalam Abubakar hat bereits seine Zustimmung signalisiert, ebenso Liberias Präsident Charles Taylor.

Die zivile Opposition von Guinea-Bissau sowie die ehemalige Kolonialmacht Portugal drängen hingegen auf eine „interne“ Lösung, beispielsweise eine übergangsweise Regierung der nationalen Einheit. So trafen sich die Außenminister Portugals und Angolas am Samstag mit dem Führer der Rebellen – der erste diplomatische Kontakt überhaupt. Die Gespräche sollen fortgesetzt werden. Denn sollte sich Senegal mit der Ecomog-Stationierung durchsetzen, wird die Ausweitung der Kämpfe auf das gesamte Land befürchtet. Und daß ein Guerillakrieg auch mit modernsten militärischen Mitteln nicht zu gewinnen ist – diese Erfahrung machte Portugal in Guinea-Bissau schon in den 70er Jahren. Thomas Baur

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen