: „Einer kann nicht gegen den anderen handeln“
■ Werner Stumpfe, Präsident des mächtigen deutschen Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, zur erneuten Annäherung an die IG-Metall und der gemeinsamen Suche nach Wegen aus der Arbeitslosigkeit
Gesamtmetall und IG-Metall wollen in den Niederlanden nach Konzepten zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit suchen. Welche Ergebnisse erwarten Sie sich?
Werner Stumpfe:Wir glauben, daß von den vielen erfolgreichen Modellen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit dieses Modell unseren deutschen Konsensvorstellungen am besten entspricht.
In den Niederlanden arbeiten doppelt so viele Menschen in Teilzeit. Welche Anreize bieten Sie denen, die kürzertreten wollen?
Die Anreize muß nicht zwangsläufig die Tarifpolitik setzen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir die Hemmnisse gegen Teilzeitarbeit aus dem Weg räumen.
Unabhängig vom Monetären: Wie wollen Sie die Stimmung schaffen, damit Autobauer bereit sind, auf Teilzeit zu gehen?
An der psychologischen Akzeptanz von Teilzeitarbeit arbeiten wir schon seit einiger Zeit.
Erfolglos. Teilzeitjobs sind doch gerade in Ihrer Branche ungeliebt.
Die Teilzeitquote ist auch bei uns leicht gestiegen. Wenn wir allerdings zu einem Bündnis für Arbeit kommen könnten, wo Arbeitgeber, Gewerkschaften und Regierung sich dazu bekennen, daß sie es für ein geeignetes Instrument halten, und alle drei versprechen, sich dafür bei jeder Gelegenheit auch einzusetzen, dann könnten wir diese Stimmung schaffen. Wir müssen vermitteln, daß der Teilzeitbeschäftigte nicht ein Beschäftigter minderen Ranges ist. Wir müssen auch dafür sorgen, daß die Teilzeit flexibel gehandhabt wird, daß es möglich ist, auf Teilzeit zu gehen und auch wieder aus ihr herauszukommen. Wenn wir das in gemeinsamen Bemühungen, die zum großen Teil psychologischer Art sind, schaffen, hätten wir sicherlich etwas Gutes getan.
Bei der gemeinsamen Analyse der Beschäftigungskrise muß am Ende auch eine Übereinstimmung über konkrete Handlungsmaßnahmen erzielt werden?
Eigentlich ja. Wir müssen uns darauf verständigen. Einer kann nicht gegen den Willen des anderen handeln. Ich hoffe, daß dieser gemeinsame Nenner möglichst groß wird.
Die niederländischen Unternehmer verlangten Reallohnverzicht, was noch als ein Tabu in Deutschland gilt. Rufen Sie gemeinsam mit der IG-Metall zum Tabubruch auf?
Reallohnverzicht ist nicht unser Ziel. Im übrigen wollen wir das Spitzengespräch am Anfang nicht belasten mit solchen Qualifizierungen, die alle möglichen Leute, die Angst vor dem Tabubruch haben, auf den Plan rufen.
Kurz vor der Wahl sprechen Sie mit Herrn Riester, dem möglichen SPD-Arbeitsminister, über ein Bündnis für Arbeit. Haben Sie akzeptiert, daß der Regierungswechsel sich nicht mehr aufhalten läßt?
Solche feinnervigen Überlegungungen stellen wir Praktiker nicht an. Ich bin kraft meines Amtes verpflichtet, mit der Gegenseite zu regeln, was zu regeln ist. Ich kann nicht immer Rücksicht darauf nehmen, ob das in dieser oder jener politischen Richtung Schaden oder Vergnügen bereitet. Interview: Annette Rogalla
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