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Noch tanzt Zidane weiter

■ Frankreich erreicht durch ein 4:3 nach Elfmeterschießen gegen Italien als erste Mannschaft das WM-Halbfinale, obwohl der dazu auserkorene Rückkehrer Zinedine Zidane als Messias versagt

Berlin (taz) — Luigi Di Biagio war der Mann, der den entscheidenden Elfmeter an die Latte donnerte und so Frankreich gestern in Paris St.Denis als erste Mannschaft ins Halbfinale beförderte. 4:3 hieß es im Elfmeterschießen, nachdem reguläre Spielzeit und Verlängerung torlos zuende gegangen waren. Zinedine Zidane aber, in Frankreich dazu auserkoren den Titel im Lande zu behalten, hatte seinen Auftritt als tragischer Held dieser WM ohne eigenes Zutun zumindest um ein Spiel verschoben.

Frankreichs Trainer Aimé Jacquet hatte in seiner Startformation auf den angeschlagenen Thierry Henry verzichtet und ließ auch dessen monegassischen Babysturmpartner David Trezeguet erstmal draußen. Stattdessen versammelte er seine Kreativkräfte in einem vehement offensiven Mittelfeld. Neben dem nach seiner Rotsperre zurückgekehrten Zidane ließ er überraschend auch Youri Djorkaeff auflaufen und außerdem den bisher kaum eingesetzten Christian Karembeu. Die sollten versuchen, die einsame Spitze Stéphane Guivarc'h einzusetzen.

Was immerhin zu Beginn auch wundervoll klappte. Schon in den ersten fünf Minuten erspielten die Franzosen sich drei gute Chancen durch Emanuel Petit und zweimal Zidane. „Wir müssen Zidane kontrollieren“, hatte Italiens Trainer Cesare Maldini als taktische Maßgabe vor dem Spiel ausgegeben. Das mag wenig innovativ klingen, war aber effektiv, als sich Gianluca Pesotto endgültig orientiert hatte und sich intensiv genug seiner Spezialaufgabe widmete. Funktionieren konnte das natürlich nur, weil das „wichtigste Spiel meiner Karriere“ (Zidane) wie erwartet zu konsequent auf den Wundermann zugeschnitten war. So lief das Spiel, wie es sich die Italiener vorgestellt haben dürften: Die Franzosen hatten ein Übergewicht im übervölkerten Mittelfeld, holten ein Eckenverhältnis von 11:2 heraus, aber kamen kaum noch in den italienischen Strafraum. Die Italiener versuchten zu kontern. Auch das klappte zwar nicht sonderlich gut, aber es war nicht zu übersehen, daß ihnen die damit einhergehende Verflachung des Spiels sehr gelegen kam.

Auch als Jacquet Henry und Trezeguet ins Spiel brachte, gelang es Zidane zwar hin und wieder Pessotto abzuhängen, aber die Franzosen wurden auch dann nur leidlich gefährlich. Die beste Chancen hatten sogar die Italiener, als Luigi Di Biagio in der 82. Minute einen seelerschen Hinterkopfstoß nur knapp am Tor vorbei setzte. Der eingewechselte Roberto Baggio traf in der 102. Minute mit einem Volleyschuß nur den Pfosten. Auf der Gegenseite scheiterte der völlig alleingelassene Djorkaeff in der 119. Minute an Pagliuca.

Doch die große Frage bleibt Zidane. Auch als sein Gegenspieler Pessotto vor der Verlängerung verletzt ausschied, war er nicht in der Lage, die ihm zugewiesene Aufgabe zu erfüllen: Das Spiel zu kontrollieren. Sollte er demnächst nicht so spielen, wie es Frankreich von ihm erwartet, wird Frankreich auch nicht den Titel gewinnen. „Ich bin kein Messias“, hatte er gesagt. Das wird dann sicherlich niemand behaupten.

Frankreich: Barthez – Thuram, Desailly, Blanc, Lizarazu – Deschamps, Petit – Karembeu (65. Henry), Zidane, Djorkaeff – Guivarc'h (65. Trezeguet)

Zuschauer: 80.000 (ausverkauft)

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