: Weniger Dreck, weniger Krach, weniger Unfälle
■ Traut man Umweltexperten und den Erfahrungen im Ausland, spricht alles für ein Tempolimit
Berlin (taz) – Geschwindigkeitsrausch made in Germany ist ein wichtiger Exportfaktor: 60 Prozent ihrer Produktion haben die bundesdeutschen Autobauer im vergangenen Jahr ins Ausland verkauft. Vor allem Pkws sind auch deswegen so begehrt, weil sie auf hohe Geschwindigkeiten ausgelegt sind – die nur auf deutschen Autobahnen gefahren werden dürfen. Für alle anderen europäischen Länder gelten Tempolimits. So ist der Hinweis „German Autobahn Proved“ in der Auslandswerbung längst zu einem Gütesiegel mutiert. Kein Wunder also, daß die Grünen bei Wirtschaft und Politikern auf spontanen Widerspruch stoßen, wenn sie in ihrem Wahlprogramm nicht nur fordern, alle Autobahnprojekte einer „Überprüfung und Neubewertung“ zu unterziehen, sondern auch gleich Höchstgeschwindigkeiten einzuführen.
Dabei ist dieses Ansinnen keineswegs neu und auch nicht so unpopulär, wie es auf den ersten Blick scheint. Umweltverbände und vor allem das Umweltbundesamt (UBA) geben regelmäßig Studien zu Geschwindigkeitsbegrenzungen heraus. Zum Teil mit verblüffenden Ergebnissen: Eine repräsentative Bevölkerungsumfrage „Umweltbewußtsein in Deutschland 1998“ des UBA ergab eine Mehrheit von immerhin 55 Prozent der Befragten für eine „allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen“. Dabei fiel die Akzeptanz mit 68 Prozent im Osten höher aus als mit 51 Prozent im Westen. Allerdings weist die Gesamttendenz nach unten: 1993 hatten sich noch 71 Prozent der Bundesdeutschen für ein Tempolimit ausgesprochen.
Als Erklärung für die Aufweichung der Front bieten sich erhöhte Sicherheitsstandards durch Airbags, Antiblockiersysteme oder ähnliche Innovationen der Autobauer. Auch die steigende Anzahl von Geschwindigkeitsbeschränkungen für einzelne Autobahnabschnitte könnte nach Ansicht der Autoren der Studie dafür verantwortlich sein, „daß ein generelles Tempolimit weniger oft für notwendig gehalten wird“. Nach Angaben des ADAC gelten bereits für rund ein Drittel der 22.300 Kilometer Autobahn Einschränkungen.
Auch die Auswirkungen einer Geschwindigkeitsbegrenzung sind umstritten. Autofahrer-Lobbyist ADAC argumentiert damit, daß nur 9 neun Prozent aller schweren Unfälle auf Autobahnen passieren, und hält deswegen eine generelle Begrenzung für überflüssig. Der Vergleich mit Nachbarstaaten, die bereits vor Jahren eine Höchstgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern einführten, zeigt aber, daß sich die Zahl weiter drastisch verringern ließe – in Italien verzeichnete man nach der Umstellung 37,5 Prozent weniger Unfälle, in Österreich 15 Prozent weniger Tote und Verletzte.
Und ökologisch hat das Reduzieren der Geschwindigkeit ohnehin nur Vorteile. Wie das Umweltbundesamt mittels einer Studie zu „Umweltauswirkungen von Tempolimits“ herausfand, könnte bereits eine generelle Höchstgeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern den Ausstoß von Kohlendioxid, Stickstoffoxiden und Kohlenmonoxid um 10 bis 21 Prozent verringern, wenn auch nur 70 Prozent der Autofahrer mitmachten. Bei Tempo 100 betrügen die Minderungen noch einmal zwischen 6 und 9 neun Prozent, die Lärmemissionen könnten um 3 bis 5 db(A) geringer werden. Und – gut fürs Portemonnaie: Der Kraftstoffverbrauch würde schon bei einer Höchstgeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern um mindestens 10 zehn Prozent gesenkt. Beate Willms
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