: Derrick, eitle Elstern und Lotto King Karl
■ Die diesjährige Jahresausstellung des Fachbereichs Gestaltung ist besonders prächtig ausgefallen
Modisch frisierte Schafe und olle Ochsen im Freizeitdress, Eitle Elstern und Löwen im Büßergewand bevölkern den Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Hamburg. Das ist keine despektierliche Einschätzung der Hamburger Schule für angewandte Kunst, das ist das Ergebnis eines Kurses der Malerin Inge Pries zum Thema „Das bekleidete Tier“ – sympathische Ironie in einem Hause, das zum Zwecke der Ausbildung sich oft ernster geben muß, als für die Künste bekömmlich erscheint.
Zum 25-jährigen Bestehen der Hochschule fiel die Dienstagabend eröffnete Semesterausstellung besonders prächtig aus. Doch wird man es dem Kritiker nachsehen, wenn er sich immer noch nicht für Bettbezugsdesign, geil fotografierte blaue Zahnbürsten oder Aktzeichnungen von Anfängern begeistern kann. Höchst interessant dagegen die Arbeiten in der Klasse von Yoram Merose unter dem Titel „Zeichnen als Idee + Narrativ“. Der „Du-und-Ich-Kasten“ von Heike Küster ist ein elegantes Taschentheater in Koffergröße zur Darstellung von Beziehungskisten. Und Till Haupt bietet zur Vermarktung seiner ganzen Person Objekte seiner Jugendzeit samt den dazugehörigen Erinnerungen käuflich an.
Der Dozent Asmus Tietjens verwaltet das Tonstudio im Hause, arbeitet an einem Museum der aussterbenden Geräusche und erstellt mit Studenten ein Geräusch-Profil über den Elbtunnel. In seiner Klasse hängen Lautsprecher-Mobiles, tönen Ohrenkästen und ein geschlagenes Kissen protestiert sanft „Aua“.
Voll professionell geht es bei der Präsentation eines „Projektmanagement“-Seminars mit einem Unternehmensberaterbüro zu. In Teamarbeit mit Metaplantechnik, Overhead-Projektor und dem übrigen Instrumentarium industrieller Weiterbildung wurden den Modestudenten praxisbezogene Arbeitsmethoden vermittelt.
Was einige Straßen weiter in der Kunsthochschule nur als Simulation von Guilliaume Bijl denkbar wäre, ist hier eindeutig Realität: das „Drehbuch für Modeschauen“ für eine effiziente Organisation und Durchführung. Die meisten anderen Modestudenten realisierten ihre Zukunftsideen gleich hier in der Aula mit der viermal gezeigten Jubiläums-Modenschau „Trugbilder“, an deren Ende eine japanische Braut wie ein großer Flugdrachen zu entschweben scheint. Ein Vergnügen, was dagegen auch heute noch zu haben ist, ist der besondere Tip: der echt urige Videoclip über die Hamburger Nuschelschnauze „Lotto King Karl“ von Gerrit Heesemann.
Hajo Schiff
Armgartstr. 24 und Wartenau 15, Ausstellung bis heute abend 21 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen