■ Kommentar: Zeitlos peinlich
Warum sollte ein Schandfleck, der 50 Nachkriegsjahre lang Bestand hatte, nicht ins nächste Jahrtausend hinüber gerettet werden? Daß auf dem Boden des ehemaligen KZs Neuengamme auch in der Nach-Nazi-Zeit ein Gefängnis steht, mag die Gefühle der Überlebenden verletzen. Aber das kann doch einen Justizsenator nicht erschüttern. Noch ein paar Jährchen, dann hat der Senat es eh geschafft: Von den ehemaligen Häftlingen wird niemand mehr leben, der des Bürgermeisters Versprechen einklagen könnte.
Bis dahin kann man die Zeit bequem mit Streitereien rumkriegen: der Bezirk gegen den Senat, der Bebauungsplan gegen das Bauvorhaben und die AnwohnerInnen gegen alles.
Das Versprechen Henning Voscheraus ist ungefähr soviel wert wie die geplanten Gelder ab 1998. Das sind nämlich nur „Verpflichtungsermächtigun-gen“, und solange nicht wirklich der Grundstein gelegt ist, verpflichten sie zu gar nichts. Denn: Sollten nach den nächsten Wahlen von einer anderen Regierung einfach andere „Prioritäten“ gesetzt werden, kann die Justizbehörde alles wieder umschmeißen. Bleibt der Bürgermeister derselbe fönfrisierte Voscherau, so können noch allerlei „Sachzwänge“ dazwischenkommen, wie zum Beispiel ein gigantisches Haushaltsloch.
Statt sich mit zukünftigen Federn zu schmücken, sollte mit Hochdruck nach einer Lösung gesucht werden, die schon seit Jahrzehnten überfällig ist. Daß es in ganz Hamburg keine einzige Fläche gibt, die ohne jahrelangen Hürdenlauf für einen neuen Knast infrage kommt, ist nicht nachvollziehbar. Wenn doch, sollte sich zeitlos geschämt werden. Silke Mertins
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