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Schanzenviertel: Demo, Bonbons und ein Vertrag

■ Verhandlungspoker um Laue-Komplex auf allen Ebenen / Steg verbreitet Optimismus

Der „demonstrative Umzug“ war klein (70 TeilnehmerInnen, erheblich mehr Ordnungshüter), aber fein: ganz ohne Vermummung, dafür mit Bonbon-Verteilung – Marke „Nimm 2“. Per Videokamera filmten die UmzüglerInnen am Samstag zur Abwechslung mal sich selber. Schließlich sollen die GenossInnen im kretischen und gomerischen Sommer-Exil nachgeliefert bekommen, was sie verpaßt haben.

Die Grußadressen waren markig, selbst Michael Kopff vom des Linksradikalismus gänzlich unverdächtigen „Mieterverein zu Hamburg“ forderte die DemonstrantInnen auf, „den Investoren und den Behörden aufs Dach“ zu steigen. Alles in allem: ein gelungener, friedvoller Auftakt der nächsten Verhandlungsrunde um die Zukunft des Laue-Komplexes und die Etablierung selbstbestimmter Wohnprojekte in demselben.

Denn schon heute soll zwischen den Investoren der „KGB&D“ um den Banker Max Wartburg und den drei zum Projekt „Nimm 2“ zusammengeschlossenen Wohngruppen erneut palavert werden. Dabei geht es um die Häuser in der Kampstraße 7 und der Ludwigstraße 8. „Im Prinzip“, so hatten die Investoren bereits im Mai eingeräumt, wären sie bereit, die Gebäude den interessierten Projekten zu überlassen.

Mit den in der Kampstraße 7 untergebrachten ehemaligen Sternstraßen-BesetzerInnen schloß die KGB&D sogar eine „Nutzungsvereinbarung“ bis Ende Januar 1996. Doch eine Dauerlösung wollen sich die Investoren vergolden lassen. So brachten sie für die Ludwigstraße 8 einen Verkaufspreis von 1,5 bis 1,8 Millionen Mark ins Gespräch und wollen für die Kampstraße sogar noch mehr Bares sehen.

Da die Sozialbehörde bereits beschied, sie werde keine Mittel für einen Ankauf zur Verfügung stellen, und die Gelder des „ABB-Programms“ der Stadtentwicklungsbehörde nicht für einen Ankauf eingesetzt werden dürfen, liegen die Wohnprojekte auf dem Trockenen. Das bezirkliche „Erneuerungskonzept“ zieht gar einen Abriß der begehrten Ludwigstraße 8 in Erwägung. Reiner Schendel vom Sanierungsträger Stattbau: „Wir müssen noch viele Probleme lösen, bevor es einen Grund zum Optimismus gibt.“

Für den Gesamtkomplex liegt mittlerweile ein von der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) ausgehandelter „städtebaulicher Vertrag“ vor, über dem die Investoren bereits seit Juni brüten. Unmittelbar nach der Sommerpause sollen sich Wartburg und Co. endgültig zu den Plänen äußern. „Ich sehe nur noch einige technische Probleme“, verbreitet Steg-Chef Peter Jorzick Optimismus, daß die Sanierung bald in Gang kommt. Mit der Unterzeichnung des Konzepts würden sich die Investoren verpflichten, unverzüglich Bauanträge zu stellen, die der Bezirk Mitte genauso unverzüglich genehmigen müßte.

„Anfang bis Mitte 1996“, so Jorzick, könnte dann in der Kampstraße und Schanzenstraße mit der Sanierung des Altbaubestandes begonnen werden. Die Neubauten im Innenbereich und am Blockrand des Komplexes würden anschließend folgen. Marco Carini

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