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Sozialarbeiter als Freund und Helfer

■ Vertrauliches Senatspapier zu St. Georg: SozialarbeiterInnen sollen Polizei zuarbeiten / „Gebietsverweise“ für die Drogenszene Von Silke Mertins

Die Hamburger Polizei wird bald nicht mehr der einzige Freund und Helfer in St. Georg sein. Schon ab August soll der Arm des Gesetzes Verstärkung bekommen: Aus einem vertraulichen Senatspapier zum „Projekt Hauptbahnhof“ geht hervor, daß zwei neue SozialarbeiterInnen-Stellen geplant sind, die als Schnittstelle zwischen Drogenszene, Ordnungshüter und Behörden fungieren sollen.

Mit diesem Ansatz wird die Sozialarbeit erstmals ihre parteiliche Rolle aufgeben und gezielt mit der Polizei zusammenarbeiten. Außerdem sollen die beiden neuen Stellen-InhaberInnen auch die „gesamte Hamburger Drogenhilfe“ vernetzen und für eine „zügige Vermittlung von Junkies an diese Einrichtungen“ sorgen, so das interne Senatspapier.

„Nie wird mit der Polizei auch nur ein Wort geredet“, verteidigt der Hamburger Drogenbeauftragte Horst Bossong, der maßgeblich an dem Entwurf beteiligt war, die Entscheidung. Es ginge darum, „hilfesuchende und -bedürftige Personen“, die von der Polizei in St. Georg aufgegriffen würden, weiterzuvermitteln. Das sollen die neuen SozialarbeiterInnen übernehmen, „ohne die wechselseitigen Funktionen zu vermischen“.

Ob die „Vermittler“ mit ihrer Zwitterfunktion ankommen, ist mehr als zweifelhaft. Mitarbeiter der Drogenhilfe laufen schon im Vorfeld Sturm gegen das Behördenkonzept. „Bei normalen Streetworkern würde kein Mensch die Nase rümpfen“, so Rainer Schmidt von der Drogenberatung „Palette“. Aber ein Konzept, das mit Funk-telefon ausgestattete SozialarbeiterInnen zu Helfershelfern der ohnehin verrufenen Polizei in St. Georg mache, sei abenteuerlich.

Mit der Polizei in Verbindung gebracht zu werden „ist ein Makel in der Szene“, räumt Bossong ein. Aber: „Polizei und Sozialarbeiter sollen ja nicht Hand in Hand übern Bahnhof schlendern.“

Zunächst hatte die Drogenhilfe angenommen, daß sich ohnehin kein/e SozialarbeiterIn für eine solche Aufgabe hergeben würde. Doch inzwischen steht sogar schon eine fest, die's wird: Tina Reeg aus dem Drogenreferat. Die „Loyalitätsgebundenheit“ einer Sozialarbeiterin aus der Behörde liege auf der Hand, kritisiert Paletten-Mitarbeiter Rainer Schmidt.

Alarmiert sind viele SozialarbeiterInnen der Drogenhilfe auch deshalb, weil gleichzeitig „dokumentiert“ werden soll, welche Junkies sich in St. Georg aufhalten, wo sie wohnen und was sie dort wollen. „Hier geht es darum festzustellen, wieviele Abhängige eigentlich in St. Georg wohnen und auf dortige Hilfe angewiesen sind“, beschwichtigt Bossong. Junkies, die in anderen Stadtteilen schon betreut werden, könnten dann gegebenenfalls von „ihren“ SozialarbeiterInnen am Bahnhof abgeholt und versorgt werden.

Die Drogenhilfe-MitarbeiterInnen glauben hingegen, daß sich aus einer solchen „Dokumentation“ wunderbar der „Platzverweis“ ableiten ließe – eine Verdrängungsmethode, die in Frankfurt bereits gescheitert ist. In der Tat liegt der taz ein solches polizeiliches Papier vor: „Aufgrund Ihres Aufenthaltes/Verhaltens in der Drogenszene wurde gegen Sie ein Platzverweis gemäß §12 a SOG ausgesprochen“ steht dort mehrsprachig, inklusive Karte von St. Georg.

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