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Nicht genügend Platz für Beischlaf

■ Alte Helden wieder frisch: George Benson beim West Port und Martin Newell im Kir

George Benson

Gefehlt hat eigentlich nur das Stroh, mit dem Zirkusmanegen gewöhnlich ausgelegt sind. Der Auftritt von George Benson in der Musikhalle glich einer hochdramatischen Dompteursnummer. Klar wurde bis zum Ende nicht, wer hier wen dressierte.

Eingangs gab es eine kompromißlose Warnung an alle Fotografen, heimliche Aufzeichner und Videofreaks, sich an die Spielregeln zu halten. Das erhöhte die Vorfreude auf die Sensation noch mehr. Das Publikum verlor sich im Lauf des großen Ereignisses, in dem Zusammenspiel der Sinnesfreuden. George Benson besprang die Bühne tigergleich und bediente sein Publikum in einer Mischung aus Tom Jones und Al Jarreau.

Die Musikhalle kochte, die musikalische Masse dickte klebrig ein. Aus den Sitzreihen drängten sich die Fans auf die Balkone und Gänge, um ihren Emotionen Bewegung zu verleihen. Für Beischlaf war zwar nicht genügend Platz, aber für lockeren Hüftschwung reichte es. Lichtschlangen kringelten sich in die Augen, Lovesongs in die Ohren: „Love Of My Life“, „Nothing's Gonna Chance My Love“... Die Menge tobte. Benson tobte zurück: „Thank youuu!“. Ja besten Dank, bei einer so durchchoreographierten Brüllnummer. Mit „Music In The Air“ trottete der Zuschauer als geschundenes Zirkuspferd nach Haus. Elsa Freese

Martin Newell

Aus marktstrategischen Gründen müßte sich Martin Newell eigentlich einem Total-Relaunch unterziehen. Schwarze, hautenge Stretchhose kombiniert mit Weste und fusseligem Langhaar samt Stirnband mögen vielleicht in einer freakseligen Vergangenheit en vogue gewesen sein. Doch heute unter dem Diktat der MTV-Kompatibilität? Dem ehemaligen Sänger der Cleaners From Venus waren kommerzielle Überlegungen schon immer schnuppe. Auch am Mittwoch abend im Kir.

Wie Catweasle in der längst vergessenen TV-Serie gerierte sich Newell auf der Bühne, nur war sein leicht zappeliges Bemühen von mehr Erfolg gekrönt. Nach dem Zauberspruch „almeidalmeiadomei“ kam tatsächlich etwas Produktives heraus: feiner britischer Pop mit Sixties-Einschlag, dem er sich schon mit den Cleaners bis zu deren Auflösung verpflichtet hatte.

Mit Dave Gregory von XTC als Gitarristen und Louis Philippe an den Keyboards hatte Newell bei seinem ersten Auftritt in Hamburg seit Jahren zwei kongeniale Partner. Geistesverwandte Newells, denen ebenfalls das perfekte, fast schon überkandidelte Popsonggut am Herzen liegt, gleichwohl auch sie dessen Scheitern nicht verhindern konnten. Nach einigen Cleaners-Hits, die nie welche waren, gab es ganz zum Schluß einen wirklichen: „Bus Stop“ von den Hollies. Ein schönes Stück, selbst nach 30 Jahren noch. Nicht nur Newell hatte den step back in time gerne vollzogen. Clemens Gerlach

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