■ Kommentar: Unritterlich
Am schönsten sind die Sündenböcke, die keine Widerworte geben. „SchwarzarbeiterInnen“ zum Beispiel. Schon zum zweiten Mal in dieser Woche drischt Wirtschaftssenator Rittershaus auf „illegal Beschäftigte“ ein. Dabei ist es in erster Linie ein Problem des Finanzsenators und der Arbeitssenatorin, denen Steuern und Arbeitsplätze fehlen.
Aber was fehlt dem Wirtschaftssenator? Eigentlich müßte er wissen, daß Angebot nicht ohne Nachfrage entsteht. Nicht nur Malocher, auch die Wirtschaft hat's gern steuerfrei.
Daß sich manche Betriebe mit illegal Beschäftigten Vorteile gegenüber ihren Konkurrenten verschaffen, ist nicht allein den „SchwarzarbeiterInnen“ anzulasten. Und die absurden Steuergesetze für Klein- und Zubrotverdiener tun ihr übriges, um den Arbeitsmarkt jenseits der Staatskassen erblühen zu lassen.
Rittershaus fehlt die Möglichkeit, über das zu schimpfen, was ihn als Wirtschafts-Protektor wirklich ärgert: die Gewerbesteuererhöhung. Doch mit dieser Streitfrage eine neue Regierungskrise anzuzetteln, daran hindert ihn wohl der senatorische Maulkorb.
Was Rittershaus und der Statt Partei ebenso fehlt, ist Popularität. Da bietet sich das Stammtischthema „Wir-armen-Steuerzahler-leiden-unter-den-schwarz-arbeitenden-Schmarotzer n“ geradezu an. Über die Wirtschaftsbetriebe, die Schwarzarbeit bezahlen, ist kein böses Wort gefallen. Dafür umso mehr der Eindruck entstanden, daß das Gros der SozialhilfeempfängerInnen sich auf Kosten anderer ein schönes steuerfreies Leben macht.
Populismus aber, Herr Rittershaus, ist unritterlich.
Silke Mertins
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