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Weit entfernte Sax-Dialoge

■ Der große Verweigerer John Zorn, das große Greenhorn Joshua Redman und die großen Entspannten von Mellowman spielen diese Woche beim Westport

Der System-von-Innen-Aushöhler. Der große Verweigerer, der Jazz-Snobs und andere Reaktionäre Scheiße fressen sehen möchte. „Excuse me, Mr. Zorn, I'm a journalist from Germany, and I'd like do have an interview with you.“

„There are two wrong words in that sentence: journalist and Germany. Thank you and goodbye.“ Dem Autor so geschehen vor einem halben Jahr in einem kleinen Café in Manhattan. Der kurzhaarige Brillenträger mit dem intensiven Auftreten spielte dort für fünf Dollar Eintritt vor einer Handvoll Menschen. Mit ihm auf der winzigen Bühne: ein wahrhaft verschrobener Sonderling am Schlagzeug, der mit skurrilsten Verrenkungen rhythmische Leckereien unterlegte, professionelle Lässigkeit am Bass und eine ergreifend schöne Trompete im direkten Spiel mit Zorn. Dieser zog zwar in gewohnt körperschädigender Haltung die rechte Schulter ans Ohr, doch was er seinem stumpf schimmernden Alt entließ, war keineswegs die sich überschlagende Energie, als deren Botschafter er seit der Gründung des Mauer niederreißenden Quintetts Naked City angesehen wird. Nein, was diese vier zusammentrugen, klang nach Geschichte und Respekt, klang seit 30 Jahren, seit Bebop, seit Coleman, vertraut und doch in vielen Melodieführungen und Akkorden fremd, verspielt und irgendwie osteuropäisch.

Dieses nach all den gewalt(tät)igen kleinen Monstren erstaunlich ebenmäßige Kind von John Zorn heißt Masada und ist (seinen) jüdischen Traditionen verschrieben. Mit deren Musik, Klezmer, verfährt Zorn in seinen Masada-Adaptionen weniger dekonstruktivistisch als in seinen bisherigen Arbeiten. Letzten Endes ist dies Jazz, von dem sich auch das von ihm gehaßte Publikum mit goutierender Kennerschaft gern mal anregen läßt. Die damit zweifellos verbundene Pein läßt sich der die Hälfte des Jahres in Japan verbringende Saxophonist zumindest vergolden – Eintrittspreise im ungeliebten Deutschland kosten gerne das sechsfache dessen, was er seinen Lower-East-Side-Nachbarn abnimmt.

Auch stilisiert sich der in Musik Lebende gerade auf Veranstaltungen dieser Art gerne als Underdog: Kampfhosen und T-Shirts mit eindeutigen Aussagen sind Programm. Doch wie schon bei Masadas letztem Auftritt in der Fabrik wird auch diesesmal durch die Schönheit hinweg nur ein wenig mit Bedrohung gespielt und sicherlich nicht gebissen. Zuvor wird Bill Evans mit seiner Band The Push an der Grenze zwischen Funk und Jazz rühren. Sein Fusion findet gelegentlich in KC Flights Raps Struktur und Worte.

Joshua Redmann geht es um etwas anderes. Für die einen versucht der Tenorsaxophonist, Jahrgang 1969, Traditionalisten und die Dancefloor-Jazzer zu verzahnen. Für die anderen liefert Redman, der eigentlich Anwalt werden wollte, Gefühl und Kopf. „Die Grundidee des Jazz ist die Direktheit und die Spontaneität“, hält Redman die gegenwärtig dominanten Konzeptalben auf Distanz. Mit seinem Quartett aus Bred Mehldau (pi), Christian McBride (ba) und Brian Blade (dr) kreuzt Redman, der seit zwei Jahren alle Preise abgreift, elegant durch die Kanäle.

Mellowman aus Paris führen in der Late Night wirklich feinen Franzosen-Hop zwischen MC Solar und IAM vor, der sich auch härtere Gangarten zutraut. Die „Stimme des Mellow“ wird unterstützt von den Big-Band-Soul-Funkern Dis Bonjour a la Dame in der Tradition von Incognito, die es in Bandnamen und Cover aber allzu sehr als Casanonvas inszenieren.

Holger in–t Veld/vom MC 900 FT Jesus: Do, 6. 7., Medienzentrum, 22 Uhr / Gilberto Gil & Gal Costa: Fr. 7. 7., Musikhalle, 20 Uhr / Mellowman & Dis Bonjour a la Dame: Fr. 7. 7., Medienzentrum, 23 Uhr / Joshua Redman Quartet: Sa, 8. 7., Medienzentrum, 20 Uhr / Transglobal Underground: Sa, 8. 7., Medienzentrum, 23 Uhr / John Zorn & Bill Evans: So, 9. 7., Medienzentrum, 21 Uhr / The Manhatten Transfer: Di, 11. 7., Musikhalle, 20 Uhr

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