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Rasender Stillstand und Bratwürste in der Nacht der Nächte

Es ist die Nacht der Nächte, Love Parade in Berlin, nachts um halb eins. Die Arena schmückt sich mit der „Love Nation“, einer der offiziellsten Partys der Love Parade. Doch was fehlt, sind die Menschen, wache. In der Halle schlafen sie, die Köpfe auf den Knien, trotz ohrenbetäubenden Lärms. Einige starren stromlinienförmig zum Olymp, einem gigantisch erhöhten Podest. Dort oben legt erst der Afrika Bambaataa, dann Westbam auf. Ersterer gut genährt, der zweite kugelrund – vielleicht liegt's an dem Stand mit den Thüringer Rostbratwürstchen.

In der „Kalkscheune“, wo es Kaiserschmarren gibt, wackeln gegen vier Uhr morgens einige wacker rhythmisch mit dem Kopf. Drinnen sind es mindestens 50 Grad bei 99 Prozent Luftfeuchtigkeit. Alles pfeift zum Takt der eher langweiligen Musik. Schnell wieder raus, wo die Sonne bereits aufgeht. Die tapferen Tänzer draußen im Garten werden immer bleicher und zerrupfter. Ein paar haben noch Schlamm vom Tiergarten an den Waden. Männer sitzen in ihren Autos auf dem Parkplatz, mit offenem Mund und geschlossenen Augen. Es ist sechs Uhr. Mitten auf der Straße vor einem Café tanzen vier Mädchen und fuchteln fröhlich mit den Armen. Das sieht schön aus.

Der Eintritt ins Tacheles kostet nur zwanzig Mark, also nichts wie rein. Im Café, mit dem es sich nach wie vor gut Touristen beeindrucken läßt, tanzt einer um eine Reisetasche. Viele boxen beim Tanzen ihren Hintermann mit ihrem Rucksack in den Bauch. Oben in der Halle wird es noch einmal lustig. Knochentrockener Techno wir hier feilgeboten, ohne Schnörkel und Süßlichkeit, so, wie er mal ganz am Anfang war. Die Tänzer bewegen ihren „Popo im Strobo“, aber immer schleppender.

Das Licht erzeugt surrealistische Standbilder, die einem helfen zu glauben, daß man sich bewegt, auch wenn man sich nicht mehr bewegen kann. Das ist der rasende Stillstand, der Punkt, an dem man gehen sollte.Susanne Messmer

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