: Dort anfangen, wo man aufgehört hat
■ betr.: „Gegen ,Radio Trommel‘ setzt Senegal auf Gewalt“ (Ar meerevolte in Guinea-Bissau wei tet sich aus), taz vom 1. 7. 98 u.a.
Guinea-Bissau gehörte bisher schon zu den allerärmsten Ländern der Welt. [...] Die mühsamen Entwicklungsanstrengungen der letzten Jahre werden zunichte gemacht. Für Wiederaufbau und Rehabilitation werden große Anstrengungen erforderlich sein.
[...] Wer in Guinea-Bissau als Entwicklungshelfer arbeitete, wer als Einheimischer oder Ausländer dort Geld investierte, wer sich als Rückkehrer von einer Ausbildung in Europa eine Existenz aufbaute, hat sich in den allermeisten Fällen zu sehr um sein Projekt, seine Geschäfte, seine beruflichen und privaten Probleme bemüht. Die politischen und gesellschaftlichen Angelegenheiten blieben der egoistischen und korrupten Machtelite überlassen.
Es wurde übersehen und verdrängt, daß die Entwicklungsbemühungen oder auch die privaten Aktivitäten nur dann einen Erfolg haben können, wenn die Rahmenbedingungen es zulassen. Präsident, Regierung und Verwaltung zeigten sich unfähig und unwillig, einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bevölkerungsmehrheit zu leisten. Wer oben war, wollte dort um fast jeden Preis bleiben, bemühte sich, bei jeder wirtschaftlichen oder finanziellen Aktion seinen Anteil abzuzweigen, und stellte auch noch den Reichtum – am auffälligsten durch große Luxusautos – rücksichtslos zur Schau.
Europäische Entwicklungshelfer und ihre einheimischen Partner richteten sich unter diesen Verhältnissen gut ein. Es gab ja die kleinen Freiheiten der vordergründigen Demokratisierung, man konnte verständnisvoll-herablassende Bemerkungen über die Regierung machen und in der Illusion leben, daß sich durch viele kleinere und größere Projekte, Firmengründungen und Investitionen allmählich alles von selbst zum Besseren wendet.
Das hat sich jetzt als trügerisch erwiesen. Sollte der bewaffnete Konflikt hoffentlich bald zu Ende gehen, wird man dort anfangen können, wo man aufgehört hat. Neben der materiellen Hilfe müßten ganz entschieden die Menschen unterstützt werden, die sich in Guinea-Bissau wie auch in anderen afrikanischen Ländern für eine konsequente Demokratisierung einsetzen. Mit ihnen zusammen müßte ein international brauchbares Konzept erarbeitet werden, das allen Menschen gleichermaßen den Zugang zu den Reichtümern der Länder erlaubt und sie an der Gestaltung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse beteiligt. Jörg Schulz-Trieglaff, Hannover
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