: Alte Kamellen gegen weniger Hools
■ In Hamburg findet Bundesinnenminister Kanther keine Freunde des Unterbindungsgewahrsams
Der Schlagstock der Polizei ist die beste Waffe gegen kriminelle Täter. Dankenswerterweise öffnete Bundesinnenminister Manfred Kanther all den verweichlichten Behörden die Augen. Auf Gewalt mit Gegengewalt zu reagieren, gehört zu den probatesten Mitteln des Bonner Betonkopfes.
Einzig die Innenminister der Länder wollen da nicht so recht mitziehen. So hat Hamburgs Innensenator Hartmuth Wrocklage gestern in einem Interview mit dem Deutschlandfunk klargestellt, daß er die Vorschläge Kanthers „für alte Kamellen“ hält. „Wir brauchen keine Verschärfung der polizeilichen Rahmenbedingungen“, ließ sich seine Behörde vernehmen. Immerhin sei es gelungen, seit Anfang der 90er Jahre den „harten Kern gewaltbereiter Fußballfans“ von 250 auf 60 bis 80 Hooligans zu reduzieren. Und zwar allein durch die gute Zusammenarbeit der Polizei mit den Fanprojekten der Hansestadt.
Die Zahl unterschreibt Dieter Bänisch vom Fan-Projekt des HSV: Einzig „den Begriff Zusammenarbeit würde ich nicht verwenden, weil wir nicht Hand in Hand arbeiten“. Das ist auch gut so. Die Möglichkeit, auf gewaltbereite Jugendliche einzugehen, besteht nur, wenn klar ist, daß die Projekte nicht der verlängerte Arm des Staates sind. „Jeder weiß, welche Aufgabe er hat. Dabei gibt es bestimmte Schnittpunkte, über die wir uns unterhalten.“ Bänisch stellt klar, daß es eine gemeinsame Arbeit gar nicht geben kann: „Unser Auftrag sind Jugendhilfeaufgaben. Wir sehen uns als Anwalt, Berater und Unterstützer der Jugendlichen. Die Polizei dagegen hat ganz eindeutig die Aufgabe, Straftaten zu verfolgen und zu verhindern.“
Auf der anderen Seite weiß der Fanbeauftragte auch um die Erfolge seiner Arbeit: „Die Hamburger Hooligans sind in Hamburg und auch bundesweit kein öffentliches Problem mehr wie noch in den späten 80ern.“ Auch die Politisierung der Szene sieht er nicht. „Ich denke, die Hooligans sind nicht politisch ambitioniert.“ Man könne aber sagen, daß auch einige politisch motivierte Leute dabei sind.
Die Vorschläge Kanthers, wie Unterbindungsgewahrsam, hält nicht nur er für nahezu unwirksam. „Natürlich greifen bei den einen sozialpädagogische Konzepte“, so Sven Brux, Organisationsleiter beim FC St. Pauli, „während bei anderen, bei denen Hopfen und Malz verloren ist, nur noch das polizeiliche zieht.“ Auf der anderen Seite gibt es weniger Probleme mit Hooligans, seitdem die Polizei auf die Vorschläge der Fanprojekte eingeht. Auch die Anzahl von 2300 gewaltbereiten Fans in Deutschland hält er für übertrieben. „Bei der Zentralen Informationsstelle Sport beim LKA in Düsseldorf gibt es eine Datei, in der alle angeblichen Gewalttäter gespeichert werden.“ Dort aber wird jeder aufgenommen, der „blöd als Gaffer herumsteht und der dann eingekreist wird“. Bei der deutschen Sammelwut ist es dann schwer, die Daten wieder aus dem Computer herauszubekommen. Eberhard Spohd
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