Musikfest mit Abbado und Bocelli

■ Ende August wird das Musikfest eröffnet / Weltberühmte Orchester verpflichtet / Schwerpunkte: Skandinavien und der Brückenschlag zwischen E- und U-Musik

Immer größer, immer höher: Auf die Summe von sechs Millionen Mark – nach 3,6 Millionen Mark im verangenen Jahr – wird der Etat des diesjährigen Musikfestes springen. Damit werden beim neunten Musikfest ab dem 29. August in 41 Konzerten an sechzehn Aufführungsorten 37.000 Karten angeboten. Möglich machen das bei seit Jahren gleichbleibender Förderung durch den Wirtschaftssenator und die Kultursenatorin – je 400.000 Mark – insgesamt 27 SponsorInnen und eine Eintrittsgeldplanung, die von einer Auslastung von 85 Prozent ausgeht und damit 30 Prozent des Gesamtetats ausmachen soll.

„Es ist das größte städtische Festival mit der größten Medienbeachtung in Deutschland“, teilte der künstlerische Leiter Thomas Albert auf der Pressekonferenz mit. Der ebenfalls anwesende Wirtschaftssenator Josef Hattig erblickte darin einen großen „Standortvorteil“ für Bremen, während die Kultursenatorin Bringfriede Kahrs zunehmend genießt, daß durch das Musikfest „Lebensqualität und Urbanität“ gesteigert und der Stadt eine „überregionale Attraktivität“ attestiert werden kann.

So weit, so gut. Und wir wollen nun nicht zum wiederholten Male das mangelnde Konzept be- oder einklagen, sondern uns gerne auf die schon beim Lesen unglaublichen Konzerte freuen. Umso mehr, als dieses Mal auch gar nicht mehr behauptet wurde, es gäbe ein erkennbares Konzept. Allerdings gibt es Schwerpunkte, einige sogar. Da ist zum Beispiel der Versuch, E und U gräbenüberbrückend anzubieten. Das versuchen zum Beispiel das London Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Myung Whun Chung und der neue Startenor Andrea Bocelli unter dem Titel „Voices for heaven“. Was auch immer das heißen mag. Für dieses Konzert wird die Halle 5 des Congress-Centrums ausgestattet.

Eine Betonung liegt auf der Präsentation skandinavischer Musik. Und der dritte Schwerpunkt ist laut Albert „das klare Bekenntnis zur Deutschen Kammerphilharmonie“. Das bringt unter seinem alten Leiter Thomas Hengelbrock und wieder mit Klaus Maria Brandauer eine konzertante Fassung von Edvard Griegs „Peer Gynt“. Unter seinem neuen Leiter Daniel Harding spielt das Orchester Ligeti.

Die großen Orchester allererster Qualität geben sich ebenfalls ein Stelldichein: Das Philharmonia Orchester London unter Esa-Pekka Salonen, zweimal die Wiener Philharmoniker unter John Eliot Gardiner, das Chamber Orchestra of Europe unter Nikolaus Harnoncourt und – Paukenschlag – die Berliner Philharmoniker unter Claudio Abbado werden kommen. Ebenso die großen Orchester der historischen Aufführungspraxis, deren Repertoire sich auffällig immer weiter ins neunzehnte Jahrhundert vordrängelt: Anima Eterna unter Jos van Immerseel, die nach ihrem nicht weniger als sensationellen Schubert dieses Jahr in der Glocke Beethoven interpretieren werden. Oder das Orchestra of the Age of Enlightement unter Roger Norrington: Tschaikowski und Bruckner! Und man darf gespannt sein, wie Les Arts Florissants unter William Christie – unvergeßlich ihr Barock-Zyklus im vergangenen Jahr – Händels „Israel in Ägypten“ interpretieren werden.

Nicht unerwähnt lassen sollte man die sicherlich hochkarätigen Konzerte des „Quatuor Mosaiques“, des Ensemble Intercontemperain und des Hillard-Ensemble. Kim Kashkashian, Gidon Kremer sind dabei, ebenso das Keller-Quartett. Einige Projekte ganz Alter Musik versprechen schöne Erlebnisse, so das Konzert der Gruppe „Anonymus 4“ mit Musik von Hildegard von Bingen. Zu der weltweiten Fernseh- und Radiovermarktung kommt erstmalig ein „Musikfestpreis“ für richtungsweisende Interpretation. Die Partnerschaft Wirtschaft und Kultur ist beim Musikfest „eine große Familie“ (Thomas Albert) geworden. Immerhin kommen 60 Prozent der BesucherInnen aus Bremen und weitere 30 Prozent aus dem Umland – so die Statistik –: Eine Zahl, bei der man davon ausgehen kann, daß das Musikfest trotz stolzer Preise in der Stadt fest verankert ist. Ute Schalz-Laurenze