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Bahnchef ist beleidigt

■ Die DB AG denkt über teurere Tickets für Stoßzeiten nach und fühlt sich in ihrer Unternehmenspolitik mißverstanden. Proteste vieler Seiten

Die Deutsche Bahn AG schließt nicht aus, daß Fahrkarten in Stoßzeiten teurer werden. Allerdings gäbe es „keinerlei konkrete Pläne“. Doch um Angebot und Nachfrage auszubalancieren, müsse die Bahn auch über „differenzierte Preise“ nachdenken, sagte Bahn-Sprecherin Anfried Baier-Fuchs gestern in Frankfurt am Main. Das sei in allen Branchen üblich.

Die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) verteidigte mögliche Preiserhöhungen auf stark frequentierten Strecken als „grundsätzlich richtigen Ansatz“. Der Bahnexperte des Verkehrsklubs Deutschland (VCD), Hinrich Kählert, nannte mögliche Preiserhöhungen ohne Preisnachlässe an anderer Stelle dagegen „fatal“. Auch Holger Jansen vom Fahrgastverband Pro Bahn forderte die Bahn auf, den Fahrgästen mit Preissenkungen in Zeiten schwacher Nachfrage entgegenzukommen, um nicht weitere Kunden zu verlieren.

Auch nach Auffassung der Bundesregegierung darf nicht jede Bahnstrecke nur nach wirtschaftlichen Kriterien beurteilt werden, versicherte Regierungssprecher Otto Hauser nach der Sitzung des Bundeskabinetts. Entscheidend sei vielmehr ein attraktives Gesamtangebot. Er versicherte, die Bundesregierung lege weiterhin „höchste Priorität auf die Schiene“.

Nach der harschen Kritik an den in den letzten Tagen bekanntgewordenen Kürzungsplänen im Fernverkehr hat Bahnchef Johannes Ludewig den Ländern mit einem Alleingang gedroht. Wenn die Vorwürfe andauerten, könne die Bahn auch sagen: „Der Fernverkehr ist unsere Sache, wir fragen jetzt niemanden mehr und optimieren jetzt mal ausschließlich aus der Sicht der Bahn“, sagte Ludewig, versicherte jedoch sofort: „Das ist nicht die Art, wie man mit Partnern umgeht. Deshalb machen wir das nicht.“ Ludewig sagte der Rheinischen Post, die jüngsten Reaktionen hätten ihn „betroffen“ gemacht. Bei der nächsten Verkehrsministerkonferenz wolle er „die Grundsatzfrage klären, wie wir miteinander bei Problemen künftig umgehen“. Zu den Kürzungsplänen sagte er: „Es wird nichts entschieden, bevor wir mit den betroffenen Ländern gesprochen haben.“ Die Bahn müsse „unternehmerisch handeln – und nicht wie eine Behörde, wo es offensichtlich auf Kosten nicht ankommt“.

Der bahnpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Albert Schmidt, sagte gestern, die Bundesregierung sei „auf dem besten Weg, die Bahnreform gegen die Wand zu fahren“. Der Bund habe seine Mittel für den Schienenbau permanent gekürzt – für 1999 seien nur noch 6,8 Milliarden Mark vorgesehen im Vergleich zu 10,3 Milliarden Mark für den Straßenbau. „Im Moment wird die Bahn ausgequetscht wie eine Zitrone“, monierte Schmidt unter Anspielung auf Bestrebungen, den 97er Gewinn der Bahn in den Bundeshaushalt abzuführen. Er forderte zugleich den Verzicht auf die unwirtschaftlichen ICE-Neubaustrecken Nürnberg–Erfurt und Nürnberg–Ingolstadt. Bahn und Bund sollten zugleich „Abstand nehmen vom Zehn-Milliarden- Mark-Abenteuer Transrapid“.

Das Bundesverkehrsministerium wies die Vorwürfe umgehend zurück und erklärte, die Bahn sei auf richtigem Kurs. Die Zahl der Bahnreisenden im Fernverkehr sei seit der Bahnreform um 20 Prozent gestiegen. In den vergangenen vier Jahren habe der Bund 35 Milliarden Mark in die Schienenwege investiert. Die Gewerkschaften GdED und GDBA verhandelten mit dem Bahnvorstand derweil weiter über eine Verlängerung des Bündnisses für Arbeit, das die Mitarbeiter des Konzerns noch bis Ende des Jahres vor betriebsbedingten Kündigungen schützt. Nach Angaben von GdED-Sprecher Hubert Kummer kam Bewegung in die Gespräche, weil sich der Vorstand bereit erklärt habe, auf einige Punkte seines umfangreichen Forderungskatalogs zu verzichten. Mit einem Abschluß gestern wurde nicht gerechnet.

(taz/AFP/AP/dpa) Kommentar Seite 9

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