Schraube in AKW locker

■ Neuartiger Störfall im Atomkraftwerk Krümmel. Hoher Prüfaufwand erwartet

Hamburg (taz) – Im AKW Krümmel östlich von Hamburg hat sich eine Sicherungsmutter an den Steuerstäben im Reaktordruckbehälter gelöst. Auch das sie haltende Gewinde wurde zerstört. Der schleswig-holsteinische Energiestaatssekretär Wilfried Voigt (Grüne), dessen Ministerium die Atomaufsicht hat, sprach gestern von einem „sicherheitstechnisch höchst bedeutsamen Defekt“. Entdeckt wurde die kaputte Mutter während der Revisionsarbeiten, zu denen der Atommeiler seit dem 19. Juni abgeschaltet ist. Steuerstäbe sind das „Gaspedal“ eines AKW. Sie steuern den Neutronenfluß und bestimmen damit, wie viele Kernspaltungen stattfinden. Offenbar hat sich an einem dieser insgesamt 205 Stäbe nach dem Bruch eines Sicherungsstiftes die zentrale Sicherungsmutter des Gehäuserohres vollständig gelöst. Sollten die Schrauben an den übrigen Stäben auch defekt sein, drohen die Steuerstäbe um 15 bis 20 Millimeter nach unten zu rutschen, bis sie aufgefangen werden.

Der Defekt ist laut Voigt erstmals bei einem AKW aufgetreten. Er verursache einen erheblichen Prüfaufwand, dessen Konsequenzen für ein Wiederanfahren des Reaktors noch nicht abschätzbar seien. In keinem Fall werde das Ministerium hinnehmen, „die deformierte Mutter in Zukunft ersatzlos wegfallen zu lassen“, so wie die Betreiberin Hamburgische Electricitätswerke überlege.

Erst vorige Woche hatten Sonderprüfungen 14 Hinweise auf erneute Risse an Rohrleitungen im Speisewassersystem ergeben. Der Reaktor steht seit langem im Verdacht, Ursache für Leukämieerkrankungen zu sein. Heike Haarhoff