Kompromiß als bestes Ergebnis

Zum Ende der Konferenz über ein internationales Strafgericht zeichnet sich ein Kompromiß ab. Nichtregierungsgruppen kritisieren „Schlußflöcher“ des Statuts  ■ Aus Rom Andreas Zumach

Bei den Verhandlungen zur Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Rom zeichnete sich gestern abend die mehrheitliche Annahme des Kompromißentwurfs für ein ICC-Statut ab, den der kanadische Konferenzvorsitzende am Morgen vorgelegt hatte. Der Entwurf kommt zumindest in wesentlichen Grundsätzen den Vorstellungen 60 gleichgesinnter Staaten (G 60) – darunter Deutschland – nahe und widerspricht vielen Zielen der USA und 30 weiterer Länder.

Die Koalition von 800 Nichtregierungsorganisationen war in ihrer Reaktion gespalten. Konferenzteilnehmer wollten nicht ausschließen, daß sich Bemühungen der US-Delegation, eine Abstimmung sowie die damit verbundene politische Niederlage zu vermeiden und Entscheidungen auf eine Nachfolgekonferenz zu verschieben, im Laufe der Nacht noch durchsetzen könnten.

Nach Einschätzung der Delegation Deutschlands und anderer Staaten der G 60 ist der letzte Kompromißentwurf für ein Statut das derzeit bestmögliche Ergebnis. Der Entwurf sieht die automatische Zuständigkeit des ICC für Kriegsverbrechen, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie den Angriffskrieg vor, wenn nationale Gerichte nicht existieren beziehungsweise unfähig oder unwillig sind, ein Verfahren einzuleiten. Mangels Einigung auf eine Definition von Angriffskrieg tritt die Zuständigkeit des ICC für dieses Verbrechen erst in Kraft, wenn sich die Staaten auf eine Definition verständigt haben. Das soll frühestens auf einer Revisionskonferenz in sieben Jahren geschehen.

Bei Kriegsverbrechen wurde auf Druck der USA und Frankreichs eine weitgehende Einschränkung in den Entwurf aufgenommen: Einzelstaaten haben die Möglichkeit, zunächst für eine einmalige Zeitspanne von sieben Jahren nach ihrer Ratifizierung des Statuts die Strafverfolgung ihrer Bürger durch das ICC abzulehnen. Auf der Revisisonskonferenz könnte vereinbart werden, die Frist beliebig zu verlängern.

Vertreter von Nichtregierungsorganisationen bewerteten dieses „Schlußpfloch für Tyrannen als „den „schwersten Mangel“ des Entwurfs. Nach Einschätzung der deutschen Delegation dürfte dieses Schlupfloch sicherstellen, daß zusätzlich zu den G 60 mindestes 21 weitere Länder dem Entwurf zustimmen, um die erforderliche Mehrheit von 81 der 161 Teilnehmer zu sichern.

Der ICC soll nicht nur aufgrund einer Beschwerde des Sicherheitsrates oder einzelner Regierungen hin ein Verfahren einleiten können, sondern auch auf Initiative des Anklägers. Diese von den USA, Frankreich und anderen Staten bis zuletzt abgelehnte Ex-officio-Befugnis wird aber durch eine „Staatenzustimmungsklausel“ eingeschränkt: Damit ein Verfahren stattfinden kann, muß entweder das Herkunftsland des mutmaßliches Täters oder das Tatortland dem ICC beigetreten sein oder aber seine Zustimmung erteilen.

Bei der Definiton sexueller Gewaltdelikte wurde gegen den Widerstand des Vatikans und islamischer Regierungen der Tatbestand der „erzwungenen Schwangerschaft“ als Folge einer Vergewaltigung aufgenommen. Aber mit dem Zusatz, daß diese Klausel keine Wirkungen auf nationale Gesetzgebungen hat: So entsteht kein Anspruch auf Abtreibung.