: Ehe und Familie, eine Frage der Definition
■ betr.: „Da entsteht doch eine Schieflage“ (Wolfgang Zeitlmann, innenpolitischer Sprecher der CSU, zur Homo-Ehe), taz vom 11./12. 7. 98
Ich bin also eine Frau, die in „ganz normalen ehelichen Verhältnissen“ (Zitat Zeitlmann) lebt, mit Ehemann und einem Kind. Ich sollte mich also verletzt fühlen, weil gleichgeschlechtliche Paare ihre Partnerschaft nun registrieren lassen können? Warum? [...] Ich lebe mein Leben so, wie es meinen Wünschen und Vorstellungen entspricht. Diese werden in keiner Weise davon berührt oder beeinträchtigt, ob gleichgeschlechtliche Paare sich registrieren lassen oder heiraten dürfen. Ich wünsche im Gegenteil allen Menschen das Recht, ihre Liebe, so wie ich auch, in rechtlicher Sicherheit leben zu können. Ich sehe auch nicht, wo das „verfassungsrechtliche Gebot zum Schutz von Ehe und Familie ad absurdum geführt“ wird. Ist das nicht eher eine Frage der Definition der Begriffe Ehe und Familie? Dürften Homosexuelle heiraten, das heißt eine Ehe schließen, brauchte sich Herr Zeitlmann um den Schutz der Ehe keine Sorgen machen. [...]
Und was die Sozialwohnung angeht! Wenn die lesbische Frau mit ihrer Freundin sozial schlechter gestellt ist als die Familie mit Kindern, warum sollte ihr diese Wohnung nicht zustehen? Dieses Problem ist doch wohl eines, das die Sozialpolitik der Bundesrepublik, in der Wohnungen immer teurer und die Diskrepanz zwischen unten und oben immer größer wird, betrifft. Mit der gleichgeschlechtlichen Beziehung hat es wenig zu tun. Hier wälzt Herr Zeitlmann Verantwortungen ab und sucht zukünftige Sündenböcke. Stefanie Temme, Bielefeld
[...] In einem liegen Sie wohl richtig, homosexuelle Lebensgemeinschaften sind eine Minderheit. Aber daran schließt sich doch sofort die Frage an: Hat die Mehrheit immer recht, beziehungsweise darf die Mehrheit der Minderheit vorschreiben, wie sie zu leben hat? Was interessiert es Sie, wen ich liebe und mit wem ich eine Lebensgemeinschaft eingehen möchte? Zerstöre ich denn damit Ihre Intimsphäre, Ihre Ehe, ihr Leben?
Überlegen Sie mal, was Sie tun, wenn Sie Gesetze gelten lassen, die es zum Beispiel ausländischen Schwulen und Lesben verbietet, Intimsphären, „Ehen“ beziehungsweise ein Leben mit deutschen Wunschpartnern in Deutschland zu führen. Sie zerstören mit diesen Gesetzen sehr wohl Leben von Mitmenschen. Und das ist die schlimmste Form von Diskriminierung.
Und Diskriminierung gibt es in allen Bereichen: Ich darf meine Freundin, die im Koma liegt, nicht auf der Intensivstation besuchen. Ich habe keine steuerlichen Begünstigungen, selbst wenn ich 50 Jahre mit ein und derselben Frau zusammenlebe, die ich dann nicht mal beerben kann. Und ich bekomme eben keine Sozialwohnung zusammen mit der Freundin. Was anderes als Diskriminierung ist das?
[...] Kommen Sie endlich von Ihren undurchdachten, diskriminierenden Moralvorstellungen runter, und überlegen Sie, wie viele Leben damit schon zerstört wurden. Sie können Menschen nicht normen. Und denken Sie doch mal darüber nach, wer hier den größeren Eingriff in das Leben anderer vornimmt: ich, indem ich meinen heterosexuellen Mitmenschen meine homosexuelle Beziehung zumute, oder Sie, mit Ihren Gesetzen, die mich ganz entschieden benachteiligen. Ich denke, im Gegensatz zu Ihnen, greife ich in kein fremdes Leben ein. Mirjam Mohrlüder, Freising
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