piwik no script img

Bayern will Stadtstaaten schröpfen

■ Kommende Woche reichen Bayern und Baden-Württemberg ihre Klagen gegen den Finanzausgleich ein. Bayerns Finanzminister fordert vorab, das Stadtstaatenprivileg abzuschaffen

Berlin (taz) – Hatte er die Weißwürste nach Berlin mitgebracht, um zu zeigen, daß es nun um die Wurst geht? Daß der finanzielle Ausgleich zwischen den Ländern nicht mehr haltbar ist? Bayerns Finanzminister Erwin Huber zeigte sich jedenfalls gestern nur bei der bayerischen Spezialität spendabel. In der Sache, dem Ausgleich der unterschiedlichen Steuerkraft der 16 Bundesländer, war Huber beinhart: Er forderte, das sogenannte Stadtstaatenprivileg abzuschaffen. Hamburg und Bremen treibe das an den Rand des Ruins, Berlin würde das unweigerlich dem Bankrott aussetzen.

Allein die Hauptstadt erhält vier Milliarden Mark (ein Zehntel ihres Budgets), weil sie als Stadtstaat Funktionen wahrnimmt, die den BürgerInnen des gesamten Landes zugute kommen: Berlin unterhält drei Operhäuser, weist eine breit gefächerte Hochschullandschaft auf und muß für Bosnienflüchtlinge tiefer in die Tasche greifen als andere Bundesländer. Für Huber ist „das ein Problem, das allein zwischen Berlin und Brandenburg gelöst werden muß“. Und wies damit den beiden Ländern an, die arm sind wie Kirchenmäuse, ihre Armut untereinander anzugleichen. Um aber solche mezzogiorni, solche Armutsregionen innerhalb Deutschlands erst gar nicht entstehen zu lassen, war der Finanzausgleich bei der Gründung der Bundesrepublik geschaffen worden.

Diese Solidarität haben Bayern und Baden-Württemberg aufgekündigt: Sie werden gegen den Finanzausgleich vor dem Bundesverfassunsgericht klagen. Kommende Woche wollen sie zwei Klageschriften gegen den Finanzausgleich, das, wie viele sagen, föderale Herzstück der aus 16 Ländern bestehenden Republik einreichen. Der im Grundgesetz verankerte Ausgleich der unterschiedlichen Steuerkraft der Länder sei leistungsfeindlich, ungerecht und gehe weit über das verfassungsmäßig Gebotene hinaus, sagte Huber. „Wir brauchen eine völlig neue Finanzverfassung.“

Der Finanzminister wies den Vorwurf zurück, sein Land und Baden-Württemberg seien unsolidarisch. „Wir sind keine Egomanen, die ohne Rücksicht auf andere Länder vorgehen“, meinte er. Und auch den Vorwurf, er schwindle, ließ er nicht gelten: „So etwas tun bayerische Politiker nicht.“ Aber der weißblaue Kassenwart sagte nicht die ganze Wahrheit.

Er ist ungeduldiger, als er zugeben mag. Vor einem Jahr begann Bayern das Ausgleichssystem in Frage zu stellen. In seiner Geschichte erhielt Bayern daraus zwölf Milliarden Mark und zahlte aber inzwischen neun Milliarden Mark als Geberland zurück. Nun ziehen die Bayern vor Gericht, angeblich „wegen der Blockadehaltung der anderen Länder“. Daß die Länder den Ausgleich erst vor drei Jahren neu austariert haben, erwähnte Huber nicht.

Bayern und Baden-Württemberg schlagen folgende Änderung des Ausgleichs vor: Sie wollen erstens nur noch 50 Pozent ihres Steueraufkommens in den Gemeinschaftstopf stecken (bisher 80 Prozent). Sie wollen zweitens die Finanzspritzen des Bundesfinanzministers abschaffen, die vor allem an das Saarland und Bremen wegen notorischer Etatnotlage gehen. Laut Huber würden diese Veränderungen über einen Zeitraum von 50 Jahren wirksam. Und da blieb Huber unpräzise: Denn diese Übergangsfrist von 50 Jahren gilt nur für die Zuweisungen des Bundesfinanzministers. Hingegen würde die Veränderung des Gemeinschaftstopfs die Ostländer sehr bald von den Zuschüssen der Westländer abschneiden.

Hubers Trick, solchen Details nicht weiter nachgehen zu müssen, war die Weißwurst. Den komplexen Finanzausgleich versimpelte er zu einer Verfassungswidrigkeit – und verlegte sich darauf, den Journalisten das Weißwurstessen zu erklären. Das ist zwar kinderleicht. Aber da gibt es, so sagte sein Sprecher, „tausend Theorien drüber“. Christian Füller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen