: Das dritte Auge schaut zu
■ Schreien, brüllen, kreischen – es gibt Augenblicke , wo selbst Sex keinen Spaß mehr macht. Eine kurze Einführung ins Tantra
Erfolgreich bumsen will gelernt sein. Es genügt nicht, mit primären und sekundären Geschlechtsteilen im erforderlichen Maße ausgestattet zu sein. Das ist, wie die PhilosophInnen so treffend sagen, eine zwar notwendige, aber keinesfalls hinreichende Bedingung.
Bumsen ist genau genommen sogar dermaßen schwierig, daß weder Männer noch Frauen ohne professionelle Anleitung die richtige Bumstechnik praktizieren können. Deshalb gibt es Bumskurse, in denen uns planlos vor sich hin bumsenden LaienbumserInnen beigebracht wird, wie man aus der Kreisklasse mit nur wenigen Trainingssitzungen in die Champions-League der „Reinraus“-Liga aufsteigen kann.
„Forum“, das in Bremen kostenlos verteilte Magazin für ganzheitliches Leben und diesen ganzen Krams, hat nun dankenswerterweise einen Mitarbeiter namens Konrad Levefre drei Tage lang zwecks Bumstechnikfortbildung auf ein Tantra-Seminar geschickt. Veranstaltet vom Tantralehrer Shantam Ludwig Heggenstaller und der Diplompsychologin Jharna Birgit Keller. Ludwig Heggenstaller – das klingt aber schon haargenau wie Orgasmus.
Doch der „Weg zum ewigen Orgasmus“ ist steinig. Zu Beginn wird der arme Levefre gleich vermöbelt. Denn nach dem Einstieg „mit einigen Übungen aus Oshos Dynamischer Meditation: 10 Minuten Schnaufen, 10 Minuten Schreien, 10 Minuten Stille, 10 Minuten Tanz“ gibt es ein paar „Handkantenschläge am Steiß“. Dort nämlich schlummert die Energie in Form von zwei aufgerollten Schlangen, die offenbar die letzten Jahre verpennt haben und sich nun gefälligst bumsfidel am Tantra-Seminar beteiligen sollen. Nach einigen anstrengenden Partnerübungen und kurzen Ausflügen in die Kobra-Atmung und erleuchtungsähnliche Zustände und Orgasmen gelangt Levefre schließlich ins Zentrum des tantrischen Universums.
„Die sexuelle Energie“, schreibt er (oder diktierten es ihm gar die verpennten Schlangen in den Griffel?), „wird per Atemtechnik vom Sexchakra im Becken hoch zum Dritten Auge gezogen. Von dort fließt es wieder zurück über den Nacken, in das Lächeln Buddhas, runter zum Becken.“ Potzblitz – that's it! Genau das lag auch uns LaienbumserInnen immer schon auf der Zunge. Aber bisher fehlten uns schlicht die passenden Worte, um unsere Gefühle beim Sex angemessen ausdrücken zu können. Aber dank Levefre geht das nun wie geschmiert. Bumsen: Das ist also, wenn das rattenscharfe Sexchakra einem mitten im dritten Auge steckt, worüber sich der inkontinente Buddha halb tot lacht und uns deshalb quer über den Nacken pinkelt. Wen wundert es da noch, daß laut Tantratester Levefre am Ende eines solch aufschlußreichen Kurses „der Raum von kartatischem (sic!) Schreien erfüllt ist: Männer brüllen, Frauen kreischen. Viele Teilnehmer brechen in Weinkrämpfe aus. Einige bekommen kaum noch Luft“. Statt wie geplant in orgiastischen Zuständen zu schwelgen, heulen die TeilnehmerInnen vor sich hin und haben gar Mühe, ihre drei tröpfelnden Augen zu trocknen. Da bumsen wir doch lieber weiter in der Kreisklasse, oder? Zumal auch eine weise Tantralehrerin wie Advaita Maria Bach in der selben Forum-Ausgabe verkündet: „ Man kriegt nur das raus, was man reinsteckt“. Offensichtlich bumsen auch TantristInnen nur mit Wasser. zott
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen