: Gewalt und Gegengewalt
Wenn Busen die Welt aus den Angeln heben: Fetischist und Feminist Russ Meyer im Zeise-Kino ■ Von Oliver Rohlf
Auch wenn Ihnen der erste Blick etwas anderes sagt: Russ Meyer ist ein Meister der Reduktion. Da sollte man sich nicht von der Tatsache täuschen lassen, daß bei ihm die Leinwand von gigantischen Aus-uferungen der weiblichen Physis gefüllt wird. Und vielleicht waren einige von Ihnen damals ein wenig überfordert, als sich die schamlosen Mudhoneys ihren triebhaften Pfad mit Hilfe reichlich überdimensionierter Busen durch die Abgründe der männlichen Libido schlugen und Megavixens die Welt zu beherrschen schienen. Wer über Meyer spricht, kommt am Busen nicht vorbei. Dem inzwischen über 70jährigen ging es seit Anbeginn um drei Dinge: Lust, Lust und ein bißchen Profit.
Russ Meyer legte mit jedem seiner Filme quasi ein öffentliches Bekenntnis über den eigenen Fetisch ab – für dessen Inszenierung andere satte Dollars hinblättern. Was sich mittlerweile wie ein legitimes Statement zum eigenen Ouvre liest, war zur Zeit der Entstehung seiner Werke in den 60er und 70er Jahren alles andere als selbstverständlich. „Sex and Violence“ sind die Themen in Meyers Filmen, da hatten es die Sittenwächter leicht – der Kalifornier verharmlose Gewalt und Vergewaltigung, so die immergleichen Vorwürfe. Seine Frauen bestünden nur aus Busen, die Männer zu 99 Prozent aus Muskeln, und von Handlung könne ja wohl keine Rede sein.
Die avanciertere Filmkritik hingegen hat Meyer einen Platz in den Rängen des amerikanischen Gegen-Kinos zugewiesen. Einer, der bewußt auf den Spielfilmvorstellungen seiner Zeit herumgetrampelt ist, indem er cartoonartige Wesen schuf, die einem Helden wie Rock Hudson seine eichenhafte Standfestigkeit aus den Gliedern geprügelt hätten, konnte so schlecht nicht sein. Mehr noch: Feministische Filmdeuterinnen sahen in dem fickenden und mordenden Frauen-Trio aus Faster Pussycat! Kill! Kill! (1966), der in Deutschland unter dem debilen Titel Die Satansweiber von Tittfield vertrieben wird, einen Aufschrei gegen Amerikas reaktionäre Heim-und-Herd-Idylle. Hier schlagen die Frauen zurück, und zwar mit genau dem Mittel, das zuvor den Chauvinismus der Männer angeheizt hat – dem Busen. Ein Ansatz, der heute tief in der Popkultur verwurzelt ist. Man denke nur an all die Rockgruppen, die sich von Meyers inspirieren lassen.
Der unkomplizierte Autodidakt hat sich durch seine Strategie, nicht nach rechts oder links zu gucken, genau zwischen seine damaligen Kino-Kollegen Herrschell Gordon Lewis und Doris Wishman gesetzt. Splatter-Pionier Lewis kam mit einer vergleichbaren Lust an expliziter Gewaltdarstellung daher – auch wenn Meyer sein Augenmerk auf die äußere, Lewis seines auf die innere Physis richtete. Diesen Hang zur umfassenden Ausbeutung – Exploitation – von Sexualität und Körperlichkeit zu Lasten jeder Individualität paarte Meyer mit dem Trash-Appeal von Doris Wishman, die ebenfalls XXL-Busenköniginnen mordend durch die USA der 60er ziehen ließ. Dort, wo Wishman noch den Hauch einer Motivation – etwa Rache für den Tod des Ehemannes – erahnen ließ, schaltete Meyer auf Durchzug, reihte ohne Reue Sequenz an Sequenz.
Damit ging er auf Tuchfühlung mit dem Episodenhaushalt von Pornofilmen, in denen ausschließlich von Bett zu Bett geschaltet wurde. Vermittlung: Fehlanzeige! Und genau an diesem Punkt setzen Meyers Filme auch heute auf ein offensives Maß an Reduzierung der Mittel. Dort, wo er im Sexuellen nichts mehr zeigen kann, spielt der ehemalige Playboy-Fotograf die Gewalttätigkeit seiner Protagonisten voll aus. Bluse auf und staunen, wenn Busen die Welt aus den Angeln heben. Das ist immer dasselbe. Mit immer dem gleichen Ausgang.
Am Schluß steht der Tod seiner Wesen – als hätte Russ Meyer Angst vor seiner eigenen Utopie.
Die Satansweiber von Tittfield: heute und morgen. Im tiefen Tal der Superhexen: Montag, 10. und Dienstag, 11. Juli. Megavixens: Montag, 17. und Dienstag, 18. Juli. Drunter, drüber, drauf: Montag, 24. und Dienstag, 25. Juli, jeweils 22.45 Uhr, Zeise-Kino
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