: Ein paar Leute von der Straße
■ Das superstarlose US-Team erreicht bei der fast zuschauerlosen Basketball-Weltmeisterschaft in Athen souverän das Viertelfinale
Berlin (taz) – Gar nicht zufrieden war Rudy Tomjanovich mit der Leistung, die das Basketball- Team der USA in der ersten Halbzeit des WM-Spiels gegen Spanien bot. Kräftig stauchte der Coach seine Leute zusammen, die nahmen sich die Standpauke zu Herzen und gewannen nach einem 11- Punkte-Rückstand noch mit 75:73. „Ich habe ihnen gesagt“, verriet Tomjanovich später, „daß ich für einen solchen Auftritt auch fünf Leute von der Straße holen könnte.“
Ungefähr so war es ja auch. Der Coach der Houston Rockets und sein Assistent Del Harris, Trainer der Los Angeles Lakers, sind die weitaus berühmtesten Personen in der US-Delegation. Die Spieler suchte man hastig von überall zusammen, nachdem die nominierten NBA-Cracks wegen des Arbeitskampfes in ihrer Liga nicht nach Athen kommen mochten. Sie sahen verständlicherweise nicht ein, warum sie mit einem WM-Gewinn das Ansehen jener Organisation heben sollten, die sie gerade ausgesperrt hatte.
Der Titelverteidiger reiste also mit einem Konglomerat aus Collegespielern, Akteuren der zweiten US-Profiliga CBA und in Europa tätigen Profis an, lauter Leuten, die in NBA-Teams „die Nummer 10 bis 12 sein könnten“, wie Tomjanovich meint. Nichtsdestotrotz steht die Mannschaft am Freitag im Viertelfinale gegen Italien. Nur einmal wurde verloren – sehr unglücklich gegen Litauen –, und beim sicheren 96:78 gegen Australien im letzten Zwischenrundenmatch spielten die USA sogar richtig gut. 18 Punkte lieferte Jimmy Oliver, der in Athen mit großer Treffsicherheit aus der Distanz überzeugt und nach seinem Engagement im spanischen Huelva nun wieder auf einen NBA-Vertrag hoffen darf, 13 Zähler steuerte Wendell Alexis von Alba Berlin bei. „Es ist ein ungeheurer Vorteil, diese Leute zu haben“, sagt Tomjanovich über die Europa-Profis, „weil sie sich mit diesem Stil des Basketballs wohl fühlen.“
Die anderen Viertelfinals bestreiten Jugoslawien - Argentinien, Rußland - Litauen, Spanien - Griechenland, ein klarer Favorit ist nicht auszumachen. Keine Mannschaft ist ungeschlagen, und Jimmy Oliver glaubt, daß die Tagesform entscheidet: „Sechs oder sieben Teams können gewinnen.“ Am überzeugendsten traten trotz ihrer knappen Niederlage gegen Italien die Jugoslawen auf, obwohl ihnen neben NBA-Center Vlade Divac auch der verletzte Predrag Danilović fehlt. Am Dienstag bezwang der Europameister Gastgeber Griechenland deutlich mit 70:56 – sehr zum Ensetzen von 18.000 Zuschauern in der Olympiahalle.
Derartige Besucherzahlen gab es bisher höchst selten bei dieser WM, oft waren nur 500, im Schnitt etwa 2.000 Leute in den beiden Riesenhallen. „Wir wußten vorher, daß die Griechen ihr Team lieben“, sagt Florian Wanninger vom Weltverband FIBA, „aber nicht unbedingt Basketball.“ Vielleicht lieben sie ja noch die NBA, aber mit dem australischen Dallas-Center Chris Anstey ist der einzige NBA-Spieler, der überhaupt nach Athen gereist ist, nun auch noch ausgeschieden. Matti
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