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Arbeitsam und steuerfrei

■ Rittershaus will Razzien statt Steuererhöhung / 234 Millionen Mark werden im Hafen verbuddelt / „Hafenerweiterung ist ökologisch“ Von Silke Mertins

Zu einem kräftigen Schlag nach links holte Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus gestern aus, als er den Haushaltsplan 1996 seiner Behörde vorstellte. Statt die Wirtschaft mit der Erhöhung von Gewerbe- und Grundsteuer noch mehr zu belasten, wie der Senat gegen den Willen des von der Statt Partei entsandten Rittershaus beschlossen hat, solle lieber bei den Kostenverursachern angesetzt werden.

„Was uns wirklich bedrückt, ist die illegale Beschäftigung“, macht Rittershaus die eigentlich Schuldigen für das Hamburger Haushaltsdefizit aus. Die geschätzten 100.000 „SchwarzarbeiterInnen“ – jeder zehnte – würden ihre Brötchen nicht nur am Stadtsäckel vorbei verdienen, sondern zum Teil auch zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Deshalb hat sich der wirtschaftsfreundliche Wirtschaftssenator die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung auf die Fahnen geschrieben: Mit „Mut zu Stichproben“ – sprich: Razzien – will Rittershaus 10 bis 15 Prozent der „Schwarzarbeit“ in legale Arbeit umwandeln. „Die Arbeit ist ja da!“, ereifert sich der Behördenchef. Nur die Steuern eben nicht.

Um die „Vertrauensbasis für den Standort Hamburg“ weiter zu stärken, wird die Wirtschaftsbehörde außerdem im nächsten Jahr fast ihr gesamtes Investitions-Budget in den Hafen fließen lassen. 234 von insgesamt 317 Millionen läßt sich Rittershaus den „unverzichtbaren“ Ausbau der Infrastruktur kosten. Da er mit einer „Verdopplung des Containerumschlags in den nächsten 6 bis 10 Jahren“ rechnet, sei auch die Hafenerweiterung Altenwerder „lebenswichtig“. Im Gegensatz zu fast allen Umwelt-Fachleuten hält der Senator die sogar für ökologisch; man müsse schließlich von der Straße weg, zum Beispiel aufs Wasser.

Obwohl die Wirtschaftsbehörde ihr Sparsoll erfüllt hat, sind die Personalkosten von 1995 auf 208,4 Millionen Mark gestiegen. „Wir haben uns auch verwundert die Augen gerieben“, sagte Behördensprecher Wolfgang Becker. Es liege an den hohen Tarifabschlüssen. Das Thema Gewerbe- und Grund-steuer ist für den parteilosen Wirtschaftssenator indes keineswegs vom Tisch. Er wolle die Debatte „gelassen abwarten“, schloß aber einen möglichen Rücktritt nicht kategorisch aus.

Gegen das rote Tuch Steuererhöhung pressemitteilte gestern auch der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, Hans-Jakob Kruse, der damit bei Rittershaus mit Wucht offene Türen einrennt. Schimpfe gibt's hingegen von der GAL; die Hafenerweiterung sei nicht nur falsch, sondern finanziell auch nicht abgesichert, so GAL-Chef Willfried Maier. Trotzdem würde der Investitions-Bärenanteil in den Hafen gesteckt. Außerdem reiße nicht „die Steuerflucht der Wohlhabenden“ – Zinsabschlagssteuern sparen im schönen Luxenburg – das Haushaltsloch, und nicht die „Schwarzarbeit“. Maier: „Illegale Beschäftigung entwickelt sich nur da, wo legale durch Verrücktheiten im System nicht zugelassen wird.“

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