: Irgend etwas können die Bayern immer besser
■ Beim 1:0 in Wolfsburg zeigen die Münchner, daß der Erfolg wieder planbar ist
Wolfsburg (taz) – Daß der Ball im Herbergerschen Sinne rund ist, kann man auf viele Arten ausdrücken. Vorm Bundesliga-Start des FC Bayern beim VfL Wolfsburg klang das so: „Wolfsburg gibt immer 150 Prozent“ (Bayern-Stürmer Giovane Elber). Oder: „Auch die Bayern haben ihre Schwächen“ (VfL-Trainer Wolfgang Wolf). Alle sangen das Hohelied auf die Unvorhersehbarkeit des Fußballs. Die einen, um sich vor Übermut zu wappnen, die anderen, um sich Mut zu machen. Am Ende war das Resultat dann doch ein vorhersehbares. Die Bayern gewannen. Zwar nur mit 1:0 und keineswegs souverän, aber mit der gewissen Selbstverständlichkeit, die sie in ihren erfolgreichen Spielzeiten immer ausgezeichnet hat.
Wer das Spiel in Wolfsburg gesehen hat, dem muß ein Verdacht gekommen sein: Die Planbarkeit von Erfolgen kehrt zurück. Das Geheimnis dieser Zusammenstellung von 16 Nationalspielern ist, daß sie zwar nicht immer besser verteidigen, besser angreifen oder besser kombinieren kann als der Gegner. Aber irgend etwas können sie immer besser – und sie spielen diesen einen Trumpf aus. In Wolfsburg zum Beispiel waren sie einfach cleverer. Der VfL, den die Hoffnung auf eine Sieg-Chance durch ein frühes Tor nach vorne trieb, der in den ersten 45 Minuten sehr kraftraubend spielte und nach 60 Minuten platt war, gab da ein willkommenes Opfer ab. Klar, es sah gut aus, wie sich Sead Kapetanovic immer wieder an Michael Tarnat vorbeischlängelte, wie das schnelle Umschalten des VfL nach Bayern-Ballverlusten die Hintermannschaft des Gegners vor einige Probleme stellte oder wie die Wolfsburger Abwehrspieler hartnäckig an den teuren Hacken des vielgepriesenen Dreier-Sturms klebten. Aber auch wenn Wolfsburg zeigte, daß das Team wesentlich besser spielen kann als in der Vorsaison: die VfL-Zwischenbilanz beim Pausenpfiff zeigte ein dickes Soll. Null Tore, keine Luft mehr für Halbzeit zwei. „Vielleicht“, so ließ Lothar Matthäus seinen Gedanken Auslauf, „haben die Wolfsburger nicht gewußt, daß das Spiel 90 Minuten dauert.“
Nach der Pause war's einfach: Unter den vielen Bayern-Hochkarätern sind immer genug dabei, die eine Partie entscheiden können, vor allem gegen müde Gegner. Es traf Giovane Elber, aber es hätten auch Hasan Salihamidzic oder Jens Jeremies sein können. Und irgendwie hat's vorher jeder geahnt: Der Ball ist eben doch nicht immer rund – jedenfalls nicht im Herbergerschen Sinne. Die Widerlegung der zugegebenermaßen arg ausgelutschten Einfach-Philosophie Herbergers ist so etwas wie das Dauerhobby von Uli Hoeneß, der in jedem Jahr eine Mannschaft bastelt, die einfach Meister werden muß. Diesmal hat Trainer Ottmar Hitzfeld ein Team bekommen, das nicht nur fast alle richtig guten deutschen Einzelspieler hat (beim VfL standen acht Ausländer in der Startelf), sondern auch in der Lage ist, ein modernes System ohne größere Anfangs-Reibungsverluste zu spielen. Dreier-Abwehrkette, Vierer-Mittelfeld, drei Stürmer. Es funktioniert. Jetzt schon.
Den Wolfsburgern bleibt, daß sie den zukünftigen Deutschen Meister eine Halbzeit lang im Griff hatten. Das wird nicht jedem Team der Bundesliga gelingen. Das Standard-Lob für den Gegner (Hitzfeld: „Wolfsburg hat stark gespielt“, Matthäus: „Der VfL hat's uns schwergemacht“, und so weiter) war darum durchaus etwas mehr als nur Höflichkeitsfloskel. Die Punkte aber nahmen die Bayern mit. Und die Gewißheit, daß alles gut ist, wie es ist und wie es früher immer war. Warum, so wurde Sepp Herberger mal gefragt, gehen die Leute zum Fußball? Antwort: „Weil sie nicht wissen, wie's ausgeht.“ Wenn in dieser Saison der FC Bayern aufläuft, können sie es zumindest ahnen. Andreas Pahlmann
Bayern München: Kahn – Matthäus (72. Linke) – Babbel, Helmer – Strunz (46. Fink), Jeremies, Tarnat (46. Lizarazu) – Effenberg – Zickler, Elber, Salihamidzic
Zuschauer: 21.600; Tor: 0:1 Elber (64.)
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