piwik no script img

Der Dreierblock schiebt mächtig zu

Der SC Freiburg meldet sich beim 2:1 in Bochum nicht nur mit ansehnlichem Fußball zurück, sondern auch mit eigener Sprache: dem „Finke-Deutsch“  ■ Aus Bochum Christoph Biermann

Puh, das bedeutet Arbeit. Her mit den Vokabelheftchen und fleißig büffeln, der SC Freiburg ist wieder da. Bekanntlich haben wir es bei den Kickern aus Baden zwar nun bitte nicht mit „Breisgau-Brasilianern“, aber mit Protagonisten des von Volker Finke ersonnen „Konzeptfußballs“ zu tun. Also muß jetzt flugs wieder das zugehörige Vokabular draufgeschafft werden. Schließlich resümierte der Trainer nach dem 2:1-Sieg in Bochum ganz zu Recht, daß sich „die Mannschaft mit ihren Mitteln in der Bundesliga durchsetzen kann“.

In der sonnigen Abgelegenheit Freiburgs sprechen die Menschen auf eine ganz eigene Art und Weise über diese Mittel. Ein echter „Konzept-Talk“ ist da entstanden, den man auch „Finke-Deutsch“ nennen könnte. So verblüffte der 19jährige Erstliga-Debütant Ali Günes seine Zuhörer mit der Erkenntnis, daß man in der höchsten Spielklasse „unheimlich aufpassen muß beim richtigen Aufnehmen“. Gemeint hatte er, daß man in der Raumdeckung darauf achten muß, seinen Gegner zu finden und nicht davonlaufen zu lassen. Einer der besten Freiburger Spieler war Lars Hermel. Den Libero würde allerdings in Freiburg niemand so nennen, weil sich „Libero“ echt nach Fußball von gestern anhört. Also spielt Hermel „die Mittelposition im zentralen Dreierblock“. Bei so einem Dreierblock wiederum kommt es besonders darauf an, daß er ordentlich „zuschiebt“ (früher auch schon „zustellt“). Vulgo: Er soll sich dorthin bewegen, wo der Gegner den Ball hat. Denn genau da geht es um die „Herstellung von Überzahlspiel“.

Ganz wichtig fürs Konzept ist auch, daß der SC Freiburg über Spieler verfügt, die „die Bahn spielen“ können, neuerdings auch gerne „der kann die Schiene spielen“ geheißen. Das machten am Samstag vornehmlich die „Oldies“ (Achtung: kein „Finke-Deutsch“) Ralf Kohl und Michael Frontzeck, wobei allerdings auf dessen Substituierung mangelnder Schnelligkeit durch Robustheit in Bälde wohl einmal durch einen Platzverweis hingewiesen wird.

Wie traurig gestrig gegenüber den bunten Freiburger Wortwelten wirkten die Bemühungen beim VfL Bochum, den „mißratenen Auftakt“ (Trainer Toppmöller) sprachlich zu begreifen. „Das müssen wir knallhart analysieren“, forderte Verteidiger Torsten Kracht knallhart. Tormann Thomas Ernst fing schon einmal an und bemängelte fehlendes „Feuer im Team“, wie auch Toppmöller konstatieren mußte, daß „wir nie in die Zweikämpfe gekommen sind“. Neuzugang Maurizio Gaudino lud die Schuld sich selbst auf die Schultern, daß sein Spiel „nicht das Gelbe vom Ei“ war. Er hatte trotz Leistenzerrung spielen wollen, eine schmerzstillende Spritze half auch nicht: „Im Nachhinein war das wohl falscher Ehrgeiz.“

Vielleicht wurden die Bochumer für die insgesamt mangelnde sprachliche Moderne auch dadurch bestraft, daß sie erneut gegen voraufklärerische Kräfte zu kämpfen hatten. Mit Stefan Kuntz verschoß ein VfL-Spieler in der Bundesliga erneut einen Elfmeter, den fünften der letzten sechs. Die Zuschauer spotteten schon, daß jetzt doch mal der Ruhrbischof kommen müsse, um eine Messe gegen den Elfmeter-Fluch abzuhalten. Oder der Klub solle beim DFB eine Modifizierung alter Bolzplatzregeln beantragen: Drei Elfer, eine Ecke. Den Triumph, daß Freiburgs Co-Trainer Achim Sarstedt, wie der meinte, beim Elfmeter auch noch die richtige Ecke ausgespäht hätte, wollte Thomas Ernst den Gästen jedoch nicht überlassen: „Ich kann alle Bundesligatorhüter wirklich beruhigen, Stefan schießt die Elfer immer unterschiedlich.“

Derweil lobte Volker Finke seine siegreiche Mannschaft dafür, daß sie „ganz ordentlich“ gespielt hätte. Auch das ist übrigens „Finke-Deutsch“ und bedeutet nicht weniger als das Höchstlob für seine Mannschaft.

SC Freiburg: Golz – Hoffmann, Hermel, Müller – Kohl (53. Rietpietsch), Günes (69. Slimane), Pavlin (87. Buric), Baya, Frontzeck – Weißhaupt, Iaschwili

Zuschauer: 24.306; Tore: 0:1 Weißhaupt (48./Foulelfmeter), 0:2 Iaschwili (72.), 1:2 Kuntz (73.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen