: Nazis „hatten die Hosen voll“
Nur 132 Neonazis kamen zum Gedenkmarsch für Rudolf Heß in Dänemark. Tausende kamen dagegen zu Gegendemonstration und Antifaschismus-Kundgebung ■ Von Reinhard Wolff
Stockholm (taz) – „Sie hatten wohl schon vorher die Hosen gestrichen voll“, freute sich Birthe Mathisen von „Bürger gegen Nazis“, als sie erfuhr, daß die Neonazis ihren groß angekündigten Rudolf-Heß-Gedenkmarsch schon abgeschlossen hatten, noch bevor sie selbst aus den Federn gekommen war. Auf menschenleeren Straßen machten genau 132 Heß- Fans aus Dänemark, Deutschland, Schweden, Belgien und Deutschland vom Hauptquartier der „Dänischen National-Sozialistischen Bewegung“ (DNSB) am Samstag morgen um 7 Uhr einen kurzen Spaziergang zum nahe gelegenen Rathausplatz der Kopenhagener Vorortgemeinde Greve und hielten dort vor einigen von ihnen vorab informierten JournalistInnen einige Reden. Um 8 Uhr war der ganze Spuk vorbei, knapp 10 Stunden vor dem offiziell mitgeteilten Demonstrationstermin. Und die Neonazis zogen sich wieder in ihren „Bunker“ zurück, wo sie vier Stunden später Besuch bekamen von rund 1.500 GegendemonstrantInnen, die aus der Kopenhagener Innenstadt angereist waren. Sie trugen Dreiecke in roter, gelber und rosa Farbe als Erinnerung dafür, welche Minderheiten die Nazis verfolgten. Nach einer Stunde friedlicher Demonstration ging die Polizei, die sich angeblich von einer Gruppe von etwa 50 meist vermummten Autonomen bedroht fühlte, mit Tränengas gegen diesen Teil der DemonstrantInnen vor. Wobei, wie die Polizeileitung später ausdrücklich bedauerte, auch völlig friedlich demonstrierende BürgerInnen betroffen wurden. Gegen 14 Uhr öffnete die Polizei für die rund 100 aus dem Ausland angereisten Nazis – bis auf 20 deutsche Neonazis, die vorübergehend festgenommen wurden, weil man Waffen bei ihnen fand – eine Gasse, damit diese mit ihren Bussen und Pkw den „Bunker“ verlassen konnten. Kurz nach 16 Uhr hatte sich auch die Gegendemonstration aufgelöst. Am Kopenhagener Schloßplatz hatten sich zwischenzeitlich rund 10.000 BürgerInnen zu einer zentralen Antifaschismus-Kundgebung versammelt.
DNSB-Führer Jonny Hansen zeigte sich trotz des Demonstrationsdebakles zufrieden: „Die Medien haben uns soviel Aufmerksamkeit geschenkt, wie wir ansonsten nie bekommen.“ Womit er diejenigen zu bestätigen schien, die von vornherein ein Totschweigen des Heß-Marsches als angebrachteste Taktik gegen die Neonazis propagiert hatten. Polizei und GegendemonstrantInnen hielten das Nazi-Debakel dagegen für ein Resultat ihres Vorgehens. Die Polizei teilte mit, durch verschärfte Kontrollen jeweils rund 150 Neonazis und Autonome an den Grenzen gestoppt zu haben. „Daß sie ihren Gedenkmarsch nur schnell hinter sich bringen wollten, ohne Gefahr zu laufen, einem Gegendemonstranten auch nur zu begegnen, ist überaus bezeichnend. Sie sind nur stark in ihrer eigenen Festung und haben Angst vor der Konfrontation mit normalen Bürgern“, meinte Anders Lange vom Antirassistischen Netzwerk. „Deshalb dürfen wir ihnen auch nie die Straße allein überlassen.“
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